Rede zur alternativen Unterrichtsorganisation

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Sehr geehrte Damen und Herren,

viel wurde in dieser Debatte bereits gesagt, auch viel Kritik wurde schon geäußert. Ich möchte deswegen zunächst mit etwas Positivem beginnen. Ich freue mich darüber, dass die Koalitionsfraktionen, insbesondere die CDU, versuchen in der Bekämpfung des Lehrkräftemangels neue Wege zu gehen. Das ist erstaunlich, weil sie ja eigentlich gerade im Bildungsbereich als BESONDERS konservativ bekannt sind. Wir geben Ihnen sogar in dem Punkt recht, dass unsere Schulen neue Anreize und Impulse brauchen. Wir Grüne selbst fordern, dass wir unser Schulsystem endlich modernisieren und die neuen technischen Möglichkeiten und wissenschaftlichen sowie pädagogischen Erkenntnisse in unseren Schulen umsetzen. 

Leider eignet sich ihr Antrag genau dafür nicht. Sie haben das große negative mediale Feedback ja sicherlich wahrgenommen. Das passiert eben, wenn man politische Entscheidungen trifft, ohne die Meinungen und Erfahrungen der betroffenen Gruppen mit einzubeziehen.  Zu diesem Thema sind es die Lehrkräfteverbände und natürlich die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft. 

Sie alle bringen berechtigte Bedenken und Kritik an, die sie sich sehr zu Herzen nehmen sollten. Ja, das Problem Lehrer*innenmangel drängt, aber bevor sie im Schnellschussverfahren diesen Antrag eingereicht haben, wären wichtige Fragen zu klären gewesen: Wie kann man neue schulorganisatorische Modelle mit den gesetzlichen Arbeitszeitregelungen des Schulpersonals verbinden? Welche Mehrbelastungen entstehen dadurch für Lehrkräfte? Inwieweit hätte die Kürzung von Unterrichtsstunden Einfluss auf die bundesweite Anerkennung von Schulabschlüssen? All diese Fragen sind noch ungeklärt.

Dabei brauchen wir dringend neue Wege, um den Lehrkräftemangel zu bekämpfen. Wir sollten uns endlich trauen, alle modernen technischen Möglichkeiten zur Unterrichtsgestaltung auch in Sachsen-Anhalt zu nutzen. Zwischen Bring-your-own-Device, einer regelmäßigen Integration von E-Learning-Portalen in den Unterricht und generellen hybriden sowie digitalen Unterrichtsformen, ist vieles möglich. Wir müssen die Chancen der Digitalisierung auch endlich in unserem Bundesland nutzen! Nur wenn unsere Schülerinnen und Schüler lernen mit dem Internet und mit der Technik ordentlich umzugehen, können Sie auch im späteren Berufsleben in der digitalen Welt bestehen. Frau Dr. Hüskens, Sie sind doch unsere Digitalministerin und haben im Wahlkampf für die FDP mit ihren großen Plänen zur Digitalisierung geworben. Wann sehen wir denn mal was von diesen Plänen in den Schulen Sachsen-Anhalts? 

Um zum Antrag der Koalitionsfraktionen zurückzukommen. Der will vor allem eines: Symptombekämpfung. Anstatt den Lehrkräftemangel an der Wurzel zu packen und zu bekämpfen, entscheiden Sie, dass ihre erste Eigeninitiative dieser Legislatur ein schwacher Versuch ist, ständigen Unterrichtsausfall zu verhindern. Der Impuls ist verständlich, angesichts der zeitweise teils dramatischen Situation, wie an der Sekundarschulen in Aken. Aber er kommt zu spät und er ist unausgereift.

Wenn wir das Problem des Lehrkräftemangels langfristig und nachhaltig lösen wollen, braucht es mehr als nur eine reine Verkürzung der Unterrichtsstunden.  Was wir tatsächlich in Sachsen-Anhalt brauchen, um den Lehrkräftemangel zu bekämpfen, ist eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Lehrkräften. Dazu zählt, dass wir endlich Arbeitszeitkonten für Lehrkräfte einführen. Natürlich muss auch die Vergütung von Grundschullehrkräften angepasst werden. Man kann niemanden heutzutage mehr glaubhaft erklären, warum es begründet ist, dass Grundschullehrerinnen und -lehrer weniger Geld verdienen als ihre Kolleginnen und Kollegen an den weiterführenden Schulen. Wir brauchen ein Budget für Vertretungslehrkräfte, welches die Schulen flexibel einsetzen können, um auf kurzfristigen oder langfristigen Ausfall von Lehrkräften reagieren zu können. Und natürlich brauchen wir auch mehr Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter, die Lehrkräfte in einem Teil ihrer Aufgaben entlasten, sodass diese sich auf den Unterricht konzentrieren können.

Und es braucht neue und moderne Wege der Unterrichtsgestaltung. Einen an modernen pädagogischen Erkenntnissen ausgerichteten Lernraum Schule, der mit kompetenten Schüler*innen auch auf Lehrer*innemangel flexibler reagieren kann.

Wir Grüne sind bereit, auch neue Wege bei der Bekämpfung des Lehrkräftemangels zu gehen. Aber bei allen gerechtfertigten Bedenken am Antrag der Koalitionsfraktionen bleibt uns keine andere Möglichkeit als diesen abzulehnen. 

Vielen Dank.