Sehr geehrte Damen und Herren,
Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser. Den Mindestlohn in Deutschland einzuführen war ein jahrelanger harter politischer Kampf. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern waren wir in Deutschland damit ziemlich spät dran. Erst seit 2015 gilt auch hierzulande: Arbeit muss auskömmlich sein. Löhne, die nicht zum Leben reichen, sind schlicht sittenwidrig. Manche Staaten haben das sehr früh beherzigt. Luxemburg bereits 1944. Frankreich 1950. Spanien 1963, Niederlande 1969, Portugal 1974 und Belgien 1975.
Im Gegensatz dazu hat gerade die Politik in Ostdeutschland viel zu lange auf einen ausufernden Niedriglohnsektor als Standortvorteil gesetzt. Wir haben das betont, statt es zu bekämpfen. Ansiedlungspolitik auf dem Rücken der prekär Beschäftigten. In der Hochphase waren so an die 20% der arbeitnehmer:innen in Sachsen-Anhalt tätig. Mit Stundenlöhnen von unter 8,50 Euro. Auch 2014 schon ein Hungerlohn. Sozial verwerflich. Ökonomisch unklug.
Dennoch dauerte es hierzulande dann zwei Generationen länger als bei unseren westlichen Nachbarländern, bis gesetzlich galt: Geschäftsmodelle, in denen die Angestellten von ihrem Einkommen nicht leben können, sind unlauter und volkswirtschaftlich schädlich.
Und dieser Erfolg, der zäh gegen Unternehmerverbände und deren Forschungseinrichtungen erstritten werden musste, den dürfen wir nicht zerstören lassen durch zu laxe Kontrollen. Unser Mindestlohngesetz darf kein zahnloser Tiger sein. Deshalb bin ich für den vorliegenden Antrag verehrte Linke wirklich dankbar. Die von ihnen benannte stetige Zunahme an Verstößen gegen den Mindestlohn ist nicht hinnehmbar. Da muss ein Staat, der sich selbst ernst nimmt, dringend handeln.
Aber was ist festzustellen: im Moment redet alle Welt nur über vermeintliche Sozialleistungsbetrüger beim Bürgergeld. Diese Gruppe ist immer im Fokus von Unterstellungen und unter Pauschalverdacht. Doch wer bitte spricht über kriminelle Arbeitgeber, die den Mindestlohn unterlaufen? Hier werden Menschen klar ausgebeutet. Ihnen wird der gerechte Lohn für ihre Arbeit verwehrt. Das geht zu Lasten der Betroffenen, zu Lasten der Sozialversicherungssysteme und natürlich zu Lasten der großen Zahl ehrlicher und rechtstreuer Arbeitgeber und Unternehmen.
Und ja, da sollte der Bund dringend tätig werden. Eine höhere Prüfdichte ist absolut geboten. Auch die Einstufung von massiven Verletzungen des Mindestlohngesetzes als Straftat erscheint mir plausibel. Es ist bezeichnend: Schwarzfahren gilt als Straftat und in der Konsequenz sitzen Tausende wegen dieses Deliktes in deutschen Gefängnissen. Aber Menschen um ihren gerechten Lohn zu bringen, scheint ein Kavaliersdelikt zu sein. Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. So scheint es mal wieder.
Verehrte Linken: Sie haben also für ihr Anliegen unsere volle Unterstützung: Die Durchsetzung des Mindestlohns sollte höchste Priorität haben.
Aber lassen sie uns eines dabei nicht vergessen: Der Mindestlohn löst nur sehr begrenzt das Problem der Armut. Kinder- und Familienarmut schafft er nicht ab, denn auch mit Mindestlohn lässt sich eine Familie nicht easy ernähren. Und er löst auch nicht das Problem der Altersarmut, denn die Rentenansprüche, die aus einem Erwerbsleben mit Mindestlohn folgen, sind halt eben nicht armutsfest und die Betroffenen rutschen dann am Ende ihres Erwerbslebens in die Grundsicherung. Wenn wir die Menschen in Deutschland lebenslang vor Armut schützen wollen, braucht es also ein ganzes Bündel starker sozialer Rechte. Aber wir backen hier als Landtag diesbezüglich nur kleine Brötchen also lassen sie uns heute zumindest das kleine Signal Richtung Bund schicken: Nur ein kontrollierter Mindestlohn ist ein guter Mindestlohn.
Danke.