Rede Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen in Sachsen-Anhalt gewährleisten. 24. April 20247. Juni 2024 „Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen in Sachsen-Anhalt gewährleisten | 24.04.2024“ von YouTube anzeigen Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen. Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube. Inhalt von YouTube immer anzeigen „Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen in Sachsen-Anhalt gewährleisten (Debatte) | 24.04.2024“ von YouTube anzeigen Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen. Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube. Inhalt von YouTube immer anzeigen Sehr geehrte Damen und Herren, Lina studiert Medizin. Sie macht das mit großer Freude und aus voller Überzeugung. Lina möchte später gerne im Bereich der Gynäkologie arbeiten. Auch, weil sie Frauen in Notlagen helfen will. Deswegen gehört es zu ihrem Bild von Gynäkologie, auch Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Doch Lina hat Angst, dass sie in ihrer medizinischen Ausbildung nie richtig erlernen wird, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Denn nicht nur in ihrem Studium wird das Thema dürftig behandelt, auch in Praktika und in der Fachärzteausbildung fürchtet sie, diesen Eingriff nicht zu erlernen. Lina sagt, dass sie sich nicht einmal traut nachzufragen, ob sie in dem Klinikum oder der Praxis Schwangerschaftsabbrüche erlernen kann. Denn sie hat Angst, dass sie deswegen für ihren Praktikumsplatz abgelehnt wird und später keinen Job findet. Katrin ist Frauenärztin. Für sie gehört es zu ihrem Selbstverständnis als Frauenärztin, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Doch bei der Arbeit muss sie oft Angst haben. Regelmäßig erhält sie Drohbriefe und Drohanrufe, teilweise mit Morddrohungen. Der Grund für diese Androhungen? Die Ärztin informiert auf ihrer Webseite darüber, dass sie in ihrer Praxis Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Jana ist ebenfalls Frauenärztin. Und sie ist Katholikin. Aufgrund ihrer Religion führt sie selbst keine Schwangerschaftsabbrüche durch. Dennoch ist es ihr ein wichtiges Anliegen, dass ihren Patientinnen, die ungewollt schwanger sind, geholfen wird. Denn was bringt es, diese Frauen zur Geburt zu zwingen oder zu überreden? Damit wäre weder dem Kind noch der Frau selbst geholfen. Sie hat deswegen eine selbsterstellte Liste mit Frauenärztinnen, an die diese Frauen in ihrer Notlage sich wenden können. Doch die Liste wird immer kürzer und die Wege für ihre Patientinnen länger. Diese drei Geschichten, Erfahrungen die man so von vielen Ärzt*innen und Medizinstudierenden in Sachsen-Anhalt hört, die ich selbst gehört habe, machen sehr deutlich, worum es in dieser Debatte geht. Lange Zeit konnten wir uns in Sachsen-Anhalt beim Thema Versorgung ungewollt Schwangerer vergleichsweise ausruhen. Denn ja, die Versorgung war und ist immer noch besser, als in westdeutschen Bundesländern wie zum Beispiel Bayern. Wir haben jahrelang davon profitiert, dass es in der DDR ein liberaleres Schwangerschaftsabbruchsrecht gab, als heute. Wir haben davon profitiert, dass in der DDR Frauenärzt*innen Schwangerschaftsabbrüche regelhaft in ihrer Ausbildung erlernt haben und es zum Selbstverständnis des Berufsbildes gehörte, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Diese Frauenärzt*innen haben jahrelang dafür gesorgt, dass wir in Sachsen-Anhalt im bundesweiten Vergleich eine bessere Versorgungssituation bei Schwangerschaftsabbrüchen hatten. Doch diese Ärzt*innen gehen langsam, aber sicher in ihren wohlverdienten Ruhestand. Allein zwischen 2017 und 2022 sind sechs Ärzt*innen, die die Genehmigung zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen haben, in den Ruhestand gegangen, ohne, dass es eine Nachfolge gab. Das klingt auf dem ersten Blick vielleicht erst mal nach nicht viel. Aber damit gab es in Sachsen-Anhalt nur noch 34 praktizierende Gynäkolog*innen, die ambulant Schwangerschaftsabbrüche durchführen dürfen. Ob all diese Frauenärzt*innen dann auch wirklich Schwangerschaftsabbrüche durchführen, das wissen wir nicht. Und das konnte uns die Landesregierung auch nicht beantworten. Wir können uns also nicht mehr darauf verlassen, dass diese Ärzt*innen, die in der DDR ausgebildet wurden, bei uns die Versorgung sicherstellen. Umso besorgniserregender sind da die Aussagen von zahlreichen Medizinstudent*innen und angehenden Ärzt*innen in der Fachärzteausbildung, die angeben, dass sie gar nicht oder nur unzureichend auf die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen vorbereitet werden. Auch bei uns in Sachsen-Anhalt gibt es die Medical Students for Choice. Sowohl an der Uniklinik Magdeburg als auch in Halle. Diese Gruppe Studierender kämpft für eine bessere Ausbildung zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen. In ihrer Not organisieren Sie sogenannte „Papaya-Workshops“. In diesen „Papaya-Workshops“ zeigen erfahrene Frauenärzt*innen den Studierenden an Papayas, wie ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt wird. Dass es diese Gruppen in Halle und in Magdeburg gibt, zeigt, dass der Bedarf da ist. Dass es Medizinstudierende gibt, die das, als Bestandteil ihrer gynäkologischen Ausbildung, lernen wollen. Und dass es Medizinstudierende gibt, die das Gefühl haben, dass sie darauf in ihrer Ausbildung nicht ausreichend vorbereitet werden. Denn an der Universität werden – nach Aussage der Studierenden – höchstens die moralischen und rechtlichen Aspekte von Schwangerschaftsabbrüchen angestreift. Und im Rahmen der Fachärzteausbildung haben die Studierenden Angst, dass sie in einer Klinik oder Praxis ihre Ausbildung absolvieren, in der keine Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden und in der sie diese dadurch auch nicht erlernen können. Denn es ist nur logisch: Wenn die Anzahl an Kliniken und Praxen sinkt, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, dann sinken auch die Orte, an denen diese erlernt werden können. Die erst kürzlich veröffentlichten Ergebnisse der ELSA-Studie zeigen ein dramatisches Bild für die Versorgung von ungewollt Schwangeren in Deutschland. Die ELSA-Studie ist eine vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegebene Studie, die die Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer bundesweit untersucht. Und in der Studie wird festgestellt, dass mehr als die Hälfte der Befragten Frauen – 60 Prozent – angaben, dass sie Schwierigkeiten hatten, an Informationen zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs zu kommen. Von diesen Frauen hatte die Hälfte wiederum Angst davor, dass andere Menschen schlecht über sie denken, wenn sie einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen. Mehr als jede Vierte Frau musste mehrere Einrichtungen kontaktieren, ehe sie einen Termin für einen Schwangerschaftsabbruch erhalten hat. Und wiederum ein Drittel aller in der Studie befragten Frauen konnten den Schwangerschaftsabbruch nicht auf die Art durchführen lassen, die für sie eigentlich sinnvoll gewesen wäre. Weil diese Methode in der behandelnden Klinik oder Praxis entweder nicht angeboten wurde, oder weil die Schwangerschaft für bestimmte Methoden wie den medikamentösen Abbruch schon zu weit fortgeschritten war. Und ja, die ELSA-Studie stellt auch fest, dass die Versorgung in den ostdeutschen Bundesländern im bundesweiten Vergleich besser ist als in den westdeutschen Bundesländern. Aber erstens ist besser nicht unbedingt gut, und zweitens verschlechtert sie sich. Auch in Sachsen-Anhalt gibt es Regionen, in denen Frauen mehr als 40 Minuten brauchen, um eine Klinik oder Praxis zu erreichen, in denen ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt wird. Und die ELSA-Studie belegt auch, dass die Ausbildung von Ärzt*innen im Bereich der Schwangerschaftsabbrüche bundesweit nicht ausreichend ist. Dazu ein Zitat aus der Studie: „Nicht alle Ärzt*innen erlernen in der Facharztweiterbildung die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen. Besonders selten erlernen Ärzt*innen den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch.“ Es gibt einen dringenden Handlungsbedarf, um sicherzustellen, dass betroffene Frauen in Sachsen-Anhalt einen Zugang zu sicheren, medizinisch durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen haben. Und wir als Land können etwas tun! Wir können mindestens sicherstellen, dass die Ausbildung zu Schwangerschaftsabbrüchen in unseren landeseigenen Kliniken abgesichert ist. Indem in den Stellenausschreibungen für gynäkologische Ärzt*innen an landeseigenen Kliniken klargestellt wird, dass die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen und die Ausbildung dazu Teil des Aufgabengebiets ist. Damit wenigstens dort sichergestellt ist, dass angehende Ärzt*innen die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen erlernen und Frauen wenigstens dort sichere Anlaufpunkte haben. Schwangerschaftsabbrüche sind und waren schon immer Bestandteil von Frauenleben. Frauen beenden ungewollte Schwangerschaften, ob es legal oder illegal ist, ob es einen Zugang zu einem medizinischen Abbruch gibt, oder nicht. Was passiert, wenn sie auf sich selbst – oder Pfuscher- gestellt sind, wissen wir aus der Geschichte und können es auf der Welt wieder verstärkt beobachten. Sichere Schwangerschaftsabbrüche sind also Teil der Frauengesundheit. Ein nicht sicherer Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen schädigt die Gesundheit der Frau und kann bis zum Tod führen. Frauengesundheit hat nichts im Strafgesetz zu suchen. Und deswegen ist und bleibt eine wichtige Botschaft: Paragraf 218 muss weg! Der Schwangerschaftsabbruch muss endlich außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden. Es ist gut, dass die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung dies auch festgestellt hat. Denn weder dürfen Frauen in Notlagen stigmatisiert und kriminalisiert werden. Noch dürfen es die Ärzt*innen, die diese Frauen versorgen. Vielen Dank.