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Ideenwettbewerb für innovative Modelle der Gesundheitsversorgung starten

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Sehr geehrte Damen und Herren,

„Sie bewerben sich beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG) für das (fiktive) Innovations-Modell-Projekt:

TVZ First-Contact – Therapeutische/Pflegerische Versorgungszentren als additive Alternative zur ambulanten Versorgung in strukturschwachen Gebieten“

Das Projekt stellt Ihnen über einen Zeitraum von 4 Jahren genügend finanzielle Mittel zur Verfügung, um in einem strukturschwachen Gebiet ein Versorgungszentrum mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflege und Heilmittelberufe, zur Entlastung der wenigen ansässigen Praxen aufzubauen.“

So beginnt die Prüfungsaufgabe in einem Modul eines pflege- und therapiewissenschaftlichen Studiengangs an einer deutschen Hochschule. Die Aufgabe ist fiktiv, die eingereichten und vorgestellten Lösungen waren es nicht. Von den Ideen, die von den berufserfahrenen Studierenden entwickelt wurden, war jede einzelne es wert, weitergedacht und weiterentwickelt zu werden -das kann ich bezeugen, ich war bei der Präsentation dabei. Jede einzelne hätte das Potential, nicht nur in schwierigen Versorgungssituationen zu entlasten, sondern Gesundheitsversorgung ganz neu zu organisieren. Aber diese Ideen wurden nur für Punkte produziert, denn ein solches Modellprojekt des Bundes gibt es nicht. 

Fällt in einem Gespräch das Thema auf die Gesundheitsversorgung der Zukunft, verfinstert sich schnell der Blick. Ärztemangel, unterversorgte Regionen, arbeitsunwillige Jung-Ärzte, leer stehende Praxen wohin man blickt. Und es kann anscheinend nur schlimmer werden, denn die hohen Altersabgänge kommen erst noch, die Studienplätze reichen nicht, junge Ärztinnen rücken nach die statt Praxisbürokratie und betriebswirtschaftlicher Unternehmensführung lieber regelhafte Arbeitszeiten wollen. Statt Halb-Gott in weiß in eigener Niederlassung lieber Festanstellung. So der eingetrübte Defizitblick. Versorgungsnotstand und Kulturverfall. Hand in Hand zu Lasten der Patientinnen und Patienten. 

So könnte man meinen. So wurde es erst neulich wieder im Sozialausschuss gezeichnet, das dystopische Bild des Untergangs. Als rettende Lichtgestalten einzig vorstellbar: Mehr Ärzt:innen. Mehr Studienplätze. Dann kann es wieder so werden, wie es vermeintlich mal war. 

Aber holen wir lieber alle einmal tief Luft. Schütteln die dystopische Schwarzmalerei ab und fangen wir an, in dieser Krise des bestehenden Systems eine Chance zu sehen. Nicht nur die Not, sondern auch die Möglichkeit für Neues, auch für Besseres.

Ja die klassische Einzelarztpraxis in eigener Niederlassung kommt an ihre Grenzen. Ist vielleicht nicht gleich ein Auslaufmodell, aber büßt deutlich den Nimbus als alternativlose Form der ambulanten Versorgung ein. 

Das kann man wortreich beklagen. Oder die Chance beim Schopfe packen, die ambulante Versorgung neu zu denken, neu zu gestalten. Eine Zukunft zu entwerfen mit mehr ärztlicher Teamarbeit und interprofessionellem Austausch. Mit mehr Augenhöhe über Professionsgrenzen hinweg, so dass Pflege-, Therapie- und Gesundheitsberufe als echte verantwortungstragende Professionen agieren können.  Mit einem erweiterten Verständnis von Gesundheit über die reine Pathogenese hinaus, indem wir auch die Bedingungen für Gesundheit stärker berücksichtigen und diese begreifen als ein biologisches, psychologisches und auch soziales Phänomen. Also Versorgungssettings entwickeln, die auf Salutogenese ausgerichtet sind. Auf die Prävention und Sozialraumgestaltung, die Förderung von Gesundheit und nicht nur die Behandlung von Krankheiten. 

Eine Zukunft in der Ärztinnen und Ärzte wieder mehr Zeit haben für ihre wirklich ärztlichen Aufgaben, weil delegierbare und substituierbare Leistungen an andere Professionen übertragen wurden, weil neue Versorgungsinstitutionen von Bürokratie entlasten. 

Ja wir werden morgen anders versorgt werden als heute. Und das ist gut so. Das kann gut werden, wenn wir die Unkenrufe der Verwalter der Gegenwart einmal ausblenden und mit mutigem Gestaltungswillen die aktuellen Herausforderungen anpacken. Denn natürlich gibt es diese zahlreich. Aber wir müssen mitnichten bei Null anfangen.

Die Liste der mutmachenden Beispiele für neue Versorgungsmodelle ist lang und wird täglich länger. Beispiele die hier und heute neue Wege gehen: 

Etwa der Medibus der Kassenärztlichen Vereinigung in Hessen mit dem sie in unterversorgten Regionen die ärztliche Versorgung gesichert hat. Dem Gesundheitsbahnhof in Schmölln bei dem die Kommune ein attraktiven Standort für Praxen errichtet hat, dafür Geld in die Hand nahm und siehe da, sich Ärzte fanden, die einzogen. Dann gibt es noch das Gesundheitskiosk in Blankenburg als ein innovatives Beispiel der Stiftung Landleben, das Netzwerk solidarische Gesundheitszentren mit aktuellen Vorhaben in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, das Stadtteil-Gesundheitszentrum Neukölln und hierzulande etwa das Beispiel REGENT voran gebracht von man höre und staune einem CDU Landrat.  Auch die CDU kann also Zukunft. Nicht oft. Aber sie wissen ja was man über das blinde Huhn sagt….

Diese guten Beispiele haben wir aktuell im Sozialausschuss vorgestellt bekommen. Bei unserem Grünen Landleben Kongress Anfang April hatten wir dann die Gelegenheit diese nochmal ausführlicher zu besprechen und dabei auch einen Blick zu werfen auf die tolle Arbeit der Beratungsstelle für Quartiersentwicklung im Land. Die Erweiterung ihres Aufgabenbereichs auf den Bereich Gesundheit wie von der Koalition beantragt begrüßen wir Grüne ausdrücklich. Schön zu sehen, dass die programmatische Saat aus Zeiten der Kenia-Koalition weiter aufgeht. 

In Mansfeld-Südharz sehen wir mit dem vom Landkreis getragenen MVZ im Rahmen des REGENT Projektes, wie auch hierzulande Neuland betreten wird.  Aber nicht jede Kommune hat wie Mansfeld-Südharz das Glück Strukturwandelmillionen zur Hand zu haben. 

Aber wo neues entstehen soll, wo es gilt auch mal ein Wagnis einzugehen, über den Tellerrand hinaus und um die Ecke zu denken und neue, nicht bereits ausgetretene Pfade einzuschlagen, braucht es Startkapital.

Und darauf zielt unser Antrag.

Für eine neue Versorgungslandschaft sind auch neue Akteure gefragt. Gerade die Kommunen können hier ganz neue Gestaltungsräume schaffen. Aber auch andere Initiativen vor Ort: Ärztenetzwerke, kommunale Gesundheitskonferenzen, Vereine und Stiftungen. Wir wollen einen Impuls setzen für das Entwickeln von Ideen. Untersetzt mit Landesgeld. Damit wollen wir die nötigen Anschubfinanzierung für bisher nur auf dem Papier existierende Konzepte geben. Das kann von der Auftaktveranstaltung mit Zukunftswerkstatt gehen, Studien und Befragungen vor Ort, um Bedarfe und Lösungsmöglichkeiten zu erfassen bis hin zu baulichen Investitionen – oder Studierendenwettbewerben. Der Fantasie sollen da keine Grenzen gesetzt werden.

Die prämierten Ideen sollen dann nicht nur für sich stehen, sondern ausstrahlen ins Land. Anregen und inspirieren. Dafür braucht es dann eine groß angelegte Öffentlichkeitsarbeit des Landes. Ein verzagtes Verwalten der krisenhaften Gegenwart oder gar ein resigniertes Hände in den Schoß legen darf es nicht geben. Ärmel hoch krempeln und optimistisch nach Vorne schauen. Denn die Umbrüche im Gesundheitssystem können wir nutzen für eine noch mehr am Patientenwohl ausgerichtete Versorgung. Für bessere Arbeitszeitmodelle, für mehr Teamspirit, ja letztlich für mehr Gesundheit.

Unser geforderter Ideenwettbewerb soll dazu einen kleinen bescheidenden Beitrag liefern. Die Entwicklung neuer Modelle der Gesundheitsversorgung ist nicht einfach  – davon kann die Salus GmbH hierzulande ein Lied von singen – aber was ist schon einfach. Und wenn es zu einfach wäre, würde es ja auch keinen Spaß machen. 

Danke.