Rede

Weniger Kinder, bessere Betreuung: Grüne fordern Personalmoratorium für Kitas

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Sehr geehrte Damen und Herren,

eigentlich braucht es nicht viele Worte, um unseren Gesetzesentwurf zum Kifög zu erläutern. Die Fakten liegen seit langem auf dem Tisch, wir Sozialpolitikerinnen diskutieren sie seit Monaten miteinander, mit Fachverbänden und der Gewerkschaft. 

Die Zahl der Kinder in unseren Kitas ist rückläufig. Der Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage zum Thema ist zu entnehmen, dass die Anzahl der betreuten Kinder im Land von 2024 bis zum Jahr 2035 um rund 23.000 Kinder sinken wird. Ein Rückgang um etwa 15%. Rein rechnerisch würden damit Arbeitsstellen für Erzieherinnen im vierstelligen Bereich entfallen. Und diese Folge gibt es schon jetzt: vielerorts wird über Stundenreduzierung und Stellenabbau gesprochen und in manchen Regionen unseres Landes auch schon umgesetzt. Sogar die Schließung von Einrichtungen ist als Folge des Rückgangs der Kinderzahlen zu befürchten. 20 stehen allein in diesem Jahr auf der Kippe, wie eine Anfrage der Linken zu Tage förderte und erst letzte Woche für eine mediale Debatte sorgte. 

Die  Ausgangslage ist also völlig unstrittig.

Gleichzeitig besteht seit Jahren die Einsicht: Die Betreuungsschlüssel in unseren Kitas sind ungenügend. Ja, wir haben vorbildliche Betreuungsquoten – außerordentlich viele Landeskinder besuchen eine Kindertageseinrichtung, fast niemand findet keinen Betreuungsplatz für seine Kleinsten. Ja, wir haben einen bundesweit sehr gut dastehenden Rechtsanspruch. Ja, unsere Konzepte zur frühkindlichen Bildung sind geradezu bundesweite Leuchttürme und werden den hohen und hehren Ansprüchen der Kinderrechtskonvention gerecht.

Aber: ganz zu Recht gibt es immer wieder heftige Kritik am Personalschlüssel in unseren Kitas. Tolle Konzepte zur frühkindlichen Bildung nutzen nichts, wenn sie wegen Personalmangel nicht umgesetzt werden können. Und bei diesem zentralen Faktor für die Qualität der Kinderbetreuung in unserem Land, der Fachkraft-Kind Relation da sieht es düster aus. Und dafür können die engagierten Erzieherinnen in Sachsen-Analt nun wirklich nichts. Ihnen und ihrem Einsatz gilt ausdrücklich unser Dank! Aber bundesweit haben wir einen der  schlechtesten Personalschlüssel in der Kindertagesförderung. Und um das Argument vorweg zu nehmen: ja, anders als andere Bundesländer reden wir bei uns über eine deutlich höhere Fachkraft-Quote, aber das bringt uns in dieser Frage keinen Schritt voan, wenn Kitas wegen Personalmangel Betreuungszeiten nicht mehr verlässlich absichrn können oder Bildungsangebote nicht stattfinden, wenn die Kita-Fachkräfte überlastet sind und ausbrennen. 

Ich weiß gar nicht wie viele Studien und Gutachten etwa der Bertelsmann-Stiftung uns das immer wieder in den letzten Jahren vor Augen geführt haben. Wir haben schlicht und ergreifend zu wenig Personal in den Kitas für verlässliche Bindungs- und Bildungsarbeit. 

Leider standen wir da bisher vor zwei kaum lösbaren Problemen. Erstens ist eine flächendeckende signifikante Erhöhung der Personalschlüssel finanziell für uns als Land kaum zu stemmen. Ja, die Schlüssel wurden verbessert, aber wirklich gut sind sie nicht. Als quasi Notlösung haben wir uns für die Sonderförderung eingesetzt. Wenn schon nicht landesweit gute Schlüssel, dann wenigstens die Einrichtungen mit höheren Bedarfen und besonderen Herausforderungen gezielt unterstützen. Eine pragmatische und, wie ich finde, sehr gelungene Lösung.  Aber sie ändert nichts an dem grundsätzlichen Befund von zu wenig Personal und damit natürlich drohender Überlastung all derer, die sich tagtäglich um unsere Kinder kümmern. 

Und selbst wenn das Geld da gewesen wäre, wir haben in der Vergangenheit stets über den Fachkräftemangel geklagt, wo also hätten neue Fachkräfte in Größenordnungen herkommen sollen, gerade jetzt, wo viele westliche Bundesländer ihre Kinderbetreuung massiv ausbauen und entsprechend einen großen Sog auf dem Fachkräftemarkt auslösen. Es fehlte also an Geld und an Fachkräften. Das war die Situation. Doch jetzt wendet sich das Blatt.

Die sinkenden Kinderzahlen sorgen jetzt für eine einmalige Gelegenheit. Wir können die Betreuungssituation verbessern. Ohne neue Gelder in die Hand nehmen zu müssen und ohne neue Fachkräfte finden zu müssen. In diesem Moment müssen wir nur verhindern, dass die sinkenden Kinderzahlen zu Personalabbau führen. Und dies können wir als Land sehr einfach und sehr smart erreichen, indem wir die Berechnungsgrundlage für den Landesanteil an der Kita-Finanzierung für drei Jahre festschreiben und damit de facto ein Personalmoratorium umsetzen. Die Bezugsgröße für den Landesanteil ist die Anzahl der Kinder in den Einrichtungen, und die wollen wir mit Stand 2024 für drei Jahre festschreiben. Bisher gelten für die Berechnung immer die Zahlen zum 1.3. des Vorjahres. Jetzt soll die Zahl der Kinder zum 1.3. 2024 bis 2027 gelten. Damit wäre eine gleichbleibende Landesförderung für drei Jahre garantiert. 

Was bezwecken wir damit? Mit einem gleichbleibenden Landesanteil ermöglichen wir den Erhalt des Personals vor Ort. Der ermöglicht es Kommunen, einen Personalschlüssel umsetzen, der besser ist als die Mindestvorgaben im KiföG

Über den Mindestschlüssel im Kifög hinaus gehen könnten die Kommunen natürlich rein rechtlich auch jetzt schon, aber das ist finanziell in der Regel bisher kaum umzusetzen, bei klammen Kommunen schaut die Finanzaufsicht in der Regel äußerst kritisch auf solche nicht verpflichtenden Extra-Ausgaben. Daher wirken die Mindestpersonalschlüsse im KiföG bisher faktisch wie Höchstgrenzen. 

Mit einer gleichbleibenden Landesförderung, die wir garantieren wollen, und sinkenden Kinderzahlen eröffnen sich für die Kommunen Spielräume für mehr Fachkräfte in den Einrichtungen. Das entlastet die Erzieher*innen, das freut die Eltern und das kommt insbesondere den Kindern zu Gute. 

Als Land müssen wir dafür höchstens die mittelfristige Finanzplanung anpassen. Wenn dort die absehbar sinkenden Kinderzahlen bereits hinterlegt sind, müsste man das ändern. Das ist aber eher ein formaler Akt, denn eine wirkliche finanzielle Mehrbelastung des Landes findet nicht statt. Es wird nur verhindert, dass die Förderung sinkt. Und das ist nur recht und billig, denn wir haben es bereits bei den von der CDU angefachten Debatten zur Absenkung der Elternentlastung mehrfach formuliert: Kitas und damit frühkindliche Bildung dürfen nicht das Sparschwein des Landes sein.

Mit einem solchem 3jährigen Personalmoratorium verhindern wir den Verlust wertvoller Fachkräfte. Darüber hinaus gewinnen wir als Land wertvolle Zeit. Denn bis zur Wahl im September 2026 mit einem beschlossenen Doppelhaushalt werden wir ja keine grundsätzlichen Neuerungen im KiföG mehr hinbekommen und direkt nach der Wahl wohl auch nicht. 

Wenn wir also jetzt nicht kurzfristig handeln, gehen uns in den nächsten beiden Jahren Fachkräfte verloren. Das darf nicht passieren.  Daher wollen wir jetzt 3 Jahre stabile Verhältnisse gewährleisten, die Gefahr von Stellenabbau abwenden und Land, Kommunen und Trägern Zeit geben, sich über eine nachhaltige und demographiefeste Kitalandschaft zu verständigen. 

Und Zeit, Wege zu finden für einen wirklich bedarfsgerechten Personalschlüssel im KiföG. Denn natürlich brauchen wir dann für 2027 neue Finanzierungsgrundlagen, sonst fällt der Landesanteil ggf. steil ab, wenn mit einem Schlag die sinkenden Kinderzahlen von drei Jahren zu Buche schlagen. Das ist uns schon klar und so ist das ja auch nicht gedacht. Unser Gesetz ist keine für alle Zeiten feststehende Normierung, sondern eine Brückenlösung für die finanzielle Untersetzung eines zeitnahen Personalmoratoriums, um die Fachkräfte zu halten und die oft formulierte Demographie-Rendite zu heben. Die neue Landesregierung wäre dann gefragt die Personalsituation und deren Finanzierung verlässlich zu regeln.

Verehrte Koalitionsfraktionen sie haben im Februarplenum beschlossen: „Der Landtag bekennt sich zu dem Ziel, die Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen durch kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen zu entlasten, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern“. Des Weiteren stellt der Beschluss vom Februar fest, „dass die Geburtenzahlen in Sachsen-Anhalt regional unterschiedlich stark zurückgehen. Bei gleichbleibendem Personalbestand ergibt sich daraus die Chance, die Fachkraft-Kind-Relation (Personalschlüssel) in der Kinderbetreuung weiter zu verbessern“. Das war und ist faktisch richtig. Aber um diese Chance zu ergreifen, müssen wir als Gesetzgeber tätig werden.  Damit wir unsere Kitafachkräfte halten können, braucht es unser Gesetz, braucht es ein Personalmoratorium. 

Ich zähle daher auf gemeinsame Beratungen im Sozialausschuss und dann auf ihre Zustimmung zu unserem Gesetzesentwurf.

Danke.