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Im Kampf gegen den Lehrkräftemangel endlich handeln und die Schulen in Sachsen-Anhalt zukunftsfest aufstellen

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Sehr geehrte Damen und Herren,

ein Bildungsdialog, der kein echter Dialog war. Und ein Bildungsgipfel der Bundesregierung, den Sachsen-Anhalt – wie zugegeben die meisten Bundesländer – schwänzt. Herr Ministerpräsident Haseloff, da stellt sich die Frage: Nimmt Ihre Landesregierung den Lehrkräftemangel wirklich ernst?

Natürlich gibt es berechtigte Kritik am letztwöchigen Bildungsgipfel der Bundesbildungsministerin. Auch wir haben da Kritikpunkte. Aber den Dialog komplett zu verweigern, dazu stolz in den Medien zu verkünden, dass man nicht zum Bildungsgipfel fahren wird. Das ist wirklich etwas anderes, als das prioritäre Behandeln der Bildungskrise, das sie uns versprochen haben.

Ihre Partei, Herr Haseloff, ist seit 2002 in Sachsen-Anhalt dauerhaft in der Regierung. Von 2005 bis 2021 hat Ihre Partei auch die Bundesregierung angeführt.  Ihre Partei war in all den Jahren an den maßgeblichen Entscheidungen beteiligt, die zur jetzigen Bildungskrise geführt haben. 

Es ist eine Binse, dass eine der Hauptursachen des Lehrkräftemangels die fehlende Attraktivität des Lehrberufs in Sachsen-Anhalt ist. Und wir haben nicht den Eindruck, dass die Landesregierung DIESEN Aspekt des Problems überhaupt sieht, geschweige denn ernst nimmt. Es ist vollkommen unverständlich, warum angesichts der ohnehin schon mangelnden Attraktivität des Lehrberufes die Landesregierung als Ergebnis des Bildungsdialogs dann die Verlängerung der Arbeitszeit von Lehrkräften um eine Stunde präsentiert. Und das auch noch am selben Tag, an dem der Ministerpräsident Söder verkündet, dass Bayern aktiv Lehrkräfte aus anderen Bundesländern abwerben will. Ist das Ihre Antwort darauf, Herr Haseloff? 

Was wir stattdessen brauchen, sind Maßnahmen, die junge Menschen, junge Lehrkräfte nach dem Studium, dazu motivieren, in unserem Bundesland zu bleiben. Hier in Sachsen-Anhalt als Lehrerin arbeiten zu wollen. Wir können es uns nicht erlauben, noch mehr Menschen durch weitere Überlastung aus dem Beruf zu vergraulen. Deswegen braucht es ausreichend Verwaltungspersonal an den Schulen, die die Lehrkräfte von allen Verwaltungsaufgaben entlasten, die momentan einen großen Teil ihrer Arbeitszeit ausmachen, aber nichts mit ihrem eigentlichen Beruf zu tun haben: Mit dem Unterrichten.  

Und wir wiederholen hier auch nochmal unsere Forderung nach einer Überarbeitung der Sonderzuschläge auf das Gehalt von allen Lehrkräften und Seiteneinsteigenden, die an bestimmten Schulformen oder in bestimmten Unterrichtsfächern oder Regionen unterrichten, in denen es einen Mangel an Lehrerinnen gibt. Und natürlich müssen wir auch Lehrkräfte mit Sonderzuschlägen an unsere Schulen ziehen, die bestimmte Integrations- und Vielfaltskompetenzen besitzen. Denn diese können unsere Schulen bei den Anforderungen unserer modernen und vielfältigen Gesellschaft unterstützen.  

Wir Bündnisgrüne wollen die Schule für morgen gestalten. Eine Schule, in der längeres gemeinsames Lernen im Vordergrund steht. Eine Schule, die der Vielfalt unserer Gesellschaft gerecht wird. Eine Schule, in der die Digitalisierung und digitale Bildung als Chance, statt als Herausforderung begriffen wird. Das ist die Vision. Die Vision, die wir für die moderne Schule von morgen haben. Eine Schule, die von Gerechtigkeit und hoher Bildungsqualität geprägt ist.

Und besonders die Grundschule von morgen ist auch eine Ganztagsschule. Eine Grundschule, in der das Recht auf schulische Bildung genauso viel Wert ist wie die Erholung, Freizeitgestaltung und die informelle Bildung. Doch damit dies gelingen kann, braucht es ein ausgeklügeltes Konzept. Und es braucht eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Sozialministerium und dem Bildungsministerium. Wir brauchen konzeptionelle Debatten, nicht Zuständigkeitsdebatten. Denn Ganztagsgrundschule ist mehr als Schule plus Hort! Damit das gelingen kann, die Ganztagsgrundschule für morgen, mit Einbindung der jetzt erfolgreich und gut arbeitenden Träger der Horte, als offener Lebensort in der Mitte der örtlichen Gesellschaft, mit Partnern aus Kultur und Sport, müssen wir als Land mutig und modern neue Wege gehen. Deswegen fordern wir eine interministerielle Arbeitsgruppe zwischen den beiden Ministerien, die gemeinsam mit den beteiligten Trägern und Interessenverbänden ein Konzept für die Implementierung der echten Ganztagsschule entwickelt.

Natürlich kann unsere Vision der Schule nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Dennoch sollten wir jetzt zügig beginnen, Grundsteine zu legen. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir Sekundarschulen und Gemeinschaftsschulen so stärken, dass sie eine attraktive Alternative zum Gymnasium sind. Denn dass sie das heute nicht sind, dass Eltern dort schlechtere Bildungschancen für ihre Kinder – auch für den mittleren Schulabschluss – sehen, DAS ist der Grund, warum Eltern heute ihre Kinder vielleicht lieber aufs Gymnasium schicken, und nicht die Unverbindlichkeit der Schullaufbahnempfehlung. Und natürlich braucht es auch eine Imagekampagne, die die Vorzüge des Lernens und des Arbeitens an Sekundar- und Gemeinschaftsschulen betont. 

Deshalb ist die Debatte um die verbindliche Schullaufbahnempfehlung auch ein Irrläufer, wenn es um die Stärkung der Sekundarschule und des mittleren Schulabschlusses geht. Das ist eine völlig absurde Idee. Genauso der Deal mit der “ein bisschen verbindlicheren Schullaufbahnempfehlung”, die sie ihren Koalitionspartnerinnen im Tausch gegen die so wichtige Anhebung der Gehälter unserer Grundschullehrkräfte abgeluchst haben, werte Kolleginnen der CDU. Und dort reicht es übrigens auch nicht aus, wenn das Einstiegsgehalt der Grundschullehrerinnen erst im Jahr 2025 vollständig auf die Gehaltsstufe E13/A13 steigt, während unsere Nachbarbundesländer das Ganze jetzt schon zahlen. Wir brauchen E13/A13 für Grundschullehrkräfte in Sachsen-Anhalt und zwar sofort ab dem nächsten Schuljahr!

Und ihre Diskussion zur Schullaufbahnempfehlung wird umso absurder, wenn man bedenkt, dass Sachsen-Anhalt zu den Bundesländern mit dem geringsten Anteil an Abiturientinnen zählt. Ja, wir haben Fachkräftemangel in Sachsen-Anhalt. Aber man löst dieses Problem nicht, indem man Kindern den Zugang zu einem Abschluss verwehrt, den sie für sich haben wollen und den sie vielleicht auch erreichen könnten. Ihr Vorschlag bedeutet nicht mehr und nicht weniger als das Ende der freien Bildungswahl in Sachsen-Anhalt! 

Und übrigens, liebe Kolleginnen, auch Schülerinnen, die das Abitur machen, können und wollen Ausbildungen beginnen. Und sie tun es zunehmend. Und warum auch nicht? Es gibt ja keinen Zwang, nach dem Abitur zu studieren. Und damit auch Schülerinnen an unseren Gymnasien an der Schule die Möglichkeit erhalten, sich über Ausbildungsberufe zu informieren, müssen wir die Berufsorientierung am Gymnasium in Sachsen-Anhalt stärken. So wie im Übrigen auch an Sekundarschulen über die Möglichkeit des Studierens ohne Abitur informiert werden sollte. Denn so wunderbar vielfältig und unterschiedlich – und auch durchlässig – Bildungs- und auch Ausbildungswege in Deutschland theoretisch sein können: praktisch wird diese Durchlässigkeit erst mit informierten Lernenden, die diese Wege kennen und wahrnehmen. Als Studentin ohne Abitur könnte ich ein langes Lied über MEINE Bildungsbiografie singen, aber das wäre länger, als es meine Redezeit erlaubt.

Und natürlich müssen wir die Chancen der Digitalisierung besser für die Bildung in unserem Bundesland nutzen. Gerade für das Erlernen der Fähigkeit zum Selbstlernen ist das aktive und kritische Nutzen von digitalen Medien im Unterricht unerlässlich. Besonders E-Learning-Tools sind dabei hilfreiche Mittel. Und gleichzeitig sind der Umgang mit Medien und das Selbstlernen für Kinder und Jugendliche essentielle Fähigkeiten für das spätere Berufsleben. Mal davon abgesehen, dass betreutes Selbstlernen mit E-Learning-Tools und anderen digitalen Medien auch ein Weg im Umgang mit akutem Lehrkräftemangel sein kann.

Egal wie wir es drehen und wenden: Wir müssen Bildung in Sachsen-Anhalt neu denken. Wir brauchen endlich den Mut zu Veränderungen. Das kann uns gelingen durch moderne Konzepte, die wir gemeinsam mit allen Beteiligten entwickeln.

Und es gilt weiterhin: Wer an der Bildung spart, der spart an der Zukunft unserer Kinder und letztendlich an der Zukunft Sachsen-Anhalts. Deswegen fordern wir Bündnisgrüne Sie als Landesregierung und die Koalitionsfraktionen auf: Handeln Sie endlich! Hören Sie den Praktikerinnen und den Gewerkschaften zu. Nehmen Sie die Sorgen der Eltern und der Schülerinnen ernst. Handeln Sie endlich!

Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.