Grußwort Regenbogenempfang zum Christopher Street Day in Halle (Saale)

Liebe Freund*innen, 

das Grundsatzprogramm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beginnt mit den Worten “Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit. Jeder Mensch ist einzigartig und frei und gleich an Würde und Rechten geboren.” 

Doch queere Personen müssen noch heute um Anerkennung kämpfen – und zwar nicht um die Anerkennung, dass sie “besonders” sind, sondern darum, dass sie “gleich” sind. Dass sie die gleiche Würde und die gleichen Rechte haben, wie jede andere Person auch. 

Menschen die Würde zurückzugeben, die ihnen die Gesellschaft und konkrete politische Rahmenbedingungen genommen haben, ist Kern grüner Politik. Und umso mehr freue ich mich, dass ich heute auf eurem Regenbogenempfang am Vorabend des CSDs in Halle ein Grußwort halten darf. 

Wir erleben eine gesellschaftlichen Aufbruch. Die neue Bundesregierung hat ein umfangreiches vielfaltspolitisches Programm vereinbart:

Die seit Jahren missachteten Rechte von trans- und intergeschlechtlichen sowie nichtbinären Menschen werden durch ein modernes Selbstbestimmungsgesetz gestärkt. Das Transsexuellengesetz, das sehr viel Leid gebracht hat und dessen Teile mehrmals als verfassungswidrig erklärt wurden, wird bald Geschichte sein. Die Änderungen des Geschlechtseintrags im Personenstand sollen grundsätzlich per Selbstauskunft möglich sein. Und, was uns Grünen besonders wichtig war, das Offenbarungsverbot wird erweitert, Verstöße dagegen sanktioniert und Kosten geschlechtsangleichender Behandlungen von der GKV vollständig übernommen.

Ein Entschädigungsfonds für trans- und intergeschlechtliche Personen, die aufgrund früherer Gesetzgebung von Körperverletzungen oder Zwangsscheidungen betroffen sind. Damit soll das erlittene Unrecht von staatlicher Seite entschädigt und ein Teil der menschenrechtswidrigen Praktiken wiedergutgemacht werden.

Das Familienrecht wird der Realität der Vielfalt der Familienmodelle angepasst. Das “kleine Sorgerecht” für soziale Eltern wird zu einem eigenen Rechtsinstitut weiterentwickelt. Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des Kindes, sofern nichts anderes vereinbart ist. Dort, wo Menschen jenseits von Liebesbeziehungen Verantwortung füreinander übernehmen, werden wir mit dem Institut der Verantwortungsgemeinschat für Schutz und Sicherheit sorgen.

Deutschland bekommt endlich einen Nationalen Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt.

All diese guten Vorzeichen, die uns zurecht Hoffnung geben auf ein besseres Morgen in Würde, Freiheit und Selbstbestimmung, werden durch die aktuellen Ereignisse getrübt.

Der Mord an Malte hat uns alle geschockt und tief getroffen. Die tagtägliche Gewalt und der Hass im Netz und auf der Straße, dem queere Menschen und besonders trans* Personen ausgesetzt sind, scheint grenzenlos. 

Dieser Hass soll uns alle treffen und uns Angst machen: queere Menschen, die nicht in das heteronormative und binäre Weltbild Ewiggestriger passen, und jene, die sich als „Straight Ally” mit ihnen solidarisieren. 

Meine Botschaft an alle, die sich fürchten und Angst haben, lautet: Dieser Hass wird niemals gewinnen. Es führt kein Weg an einem selbstbestimmten und freien Leben für alle vorbei. Es wird kein Zurück geben. Es ist Aufgabe aller staatlichen Akteure aktiv und verstärkt gegen  Hasskriminalität vorzugehen. Solange nicht alle sicher sind, ist niemand sicher und deshalb ist es entscheidend, dass auch im Jahr 2022 möglichst viele Menschen beim Christopher Street Day demonstrieren und klar machen, dass niemand in diesem Kampf alleine steht! 

Auch Sachsen-Anhalt ist kein queerpolitisches Niemansland! In der letzten Legislatur konnten wir das Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Identität in der Landesverfassung verankern. Das muss jetzt mit Leben gefüllt werden. Mit unseren Anfragen und Anträgen im Parlament treiben wir die Koalition queerpolitisch voran. Aktuelle Stichworte sind auch hier die Sensibilisierung für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Bildungswesen, sowie Queerfeindlichkeit und der Kampf gegen Hasskriminalität. 

Bei all diesen und weiteren Themen arbeiten wir eng mit der Community und ihren Vereinen, Organisationen und Institutionen zusammen und ich bin außerordentlich dankbar für diese freundschaftliche Kooperation.

Diese Kooperation und breite Einbindung der Community ist es auch, die den Christopher Street Day in Halle in besonderer Weise auszeichnet. Ich möchte allen Akteur*innen danken, die ihren Anteil an der Organisation dieses Regenbogenempfangs, des morgigen Christopher Street Days und der gesamten CSD-Woche haben.

Ich freue mich auf einen schönen Abend mit euch. Vielen Dank!