Rede

Gegen AfD-Hass und Wissenschaftsfeindlichkeit: Grüne verteidigen Genderforschung und Demokratie

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Sehr geehrte Damen und Herren,

langsam mache ich mir wirklich Sorgen, Herr Dr. Tillschneider. Sie scheinen sich von allem möglichen verfolgt zu fühlen. Die echte Welt da draußen muss Ihnen unfassbar Angst machen. Was ist denn diesmal ihr Problem? Zittern Sie, dass eine kluge Frau Ihnen ihren Job wegnimmt und sie als Mann ihren Platz in der Gesellschaft verlieren, weil eine Frau oder ein Mann Kurse zur feministischen Theorie an der Uni besucht hat? 

Es ist wirklich kaum nachzuvollziehen. Dieser Kampf der rechtsextremen Trolle weltweit gegen Geschlechterforschung. Vielleicht müssen bei Ihnen, Herr Dr. Tillschneider, ein paar Wissenslücken geschlossen werden, was Sie mit ihrer Verbots- und Angstpartei AfD da eigentlich alles wegstreichen wollen. 

Mir als Krankenschwester fallen da als erstes Beispiele aus der Medizin ein. Die – jetzt festhalten Dr. Tillschneider und bitte nicht vor Schreck vom Stuhl fallen – Geschlechtersensible Medizinforschung, auch Gendermedizin genannt. Da forscht man zum Beispiel zu Krebssorten, an denen vor allem Frauen sterben. Wie Brustkrebs oder Gebärmutterhalskrebs. Dazu gehört auch Forschung über Endometriose. Eine oft extrem schmerzhafte Erkrankung der Gebärmutterschleimhaut, unter der etwa 15 von 100 Frauen in Deutschland leiden. Es werden Studien dazu gemacht, wie sich die Symptome von zum Beispiel Schlaganfällen oder Herzinfarkten bei Frauen von den Symptomen bei Männern unterscheiden. Die haben nämlich oft ganz andere als Männer und die Notfälle werden daher noch heute oft zu spät erkannt. In der Gendermedizin wird auch untersucht, wie Medikamente bei Frauen und Männern unterschiedlich wirken. Noch heute sind die angegebenen Nebenwirkungen im Beipackzettel oft nur an Männern erforscht.

Zu all diesen Themen und viel mehr, wurde jahrzehntelang nicht bis kaum geforscht. Warum? Weil Männer wie Sie, Herr Dr. Tillschneider, das alles für unnötig gehalten haben. Sie finden es doof und bezeichnen es als Gendergaga, wenn zum Beispiel daran geforscht wird, dass Frauen gut und gesund leben können.

Was Ihnen und Ihrer Frauenhasser-Partei-AfD auch missfällt, ist, dass an den Universitäten und Hochschulen in Sachsen-Anhalt zum Beispiel Kurse und Forschung zur Geschichte der Frauenrechtebewegung gibt. Ohne die Frauenrechtebewegung in Deutschland wäre unsere Gesellschaft nie so weit gekommen, wie sie jetzt ist. Ein Beispiel gefällig? Wie viel näher wäre unsere Wirtschaft am Zusammenbruch durch Fachkräftemangel, wenn westdeutsche Frauen sich nicht in den 70er Jahren das Recht erstritten hätten, auch nach einer Heirat arbeiten zu dürfen. Denn auch wenn in der ehemaligen DDR zu diesem Zeitpunkt Frauen schon lange arbeiten durften und es taten, war es bis dahin Frauen in Westdeutschland nicht erlaubt, ohne die Erlaubnis ihres Mannes zu arbeiten. Und seitdem ist der Anteil der Erwerbstätigkeit der Frauen immer weiter angestiegen. Nicht vorstellbar, wie sehr unsere Wirtschaft und der deutsche Wohlstand zusammenkrachen würde, wenn Frauen, wie Sie Herr Dr. Tillschneider sich das so wünschen, nicht mehr arbeiten würden, sondern nur noch zuhause hinterm Herd stehen und regelmäßig Kinder zur Welt bringen. 

Und vielleicht erklärt das auch Ihre Missachtung gegenüber Judith Butler. Judith Butlers Theorie zu Geschlechterrollen und wie diese durch die Gesellschaft geformt und vorbestimmt werden, hat maßgeblich die Sozialwissenschaften beeinflusst. Man muss Judith Butlers Weltsicht insgesamt nicht teilen, und ganz sicher ist es grundfalsch, dass Butler Israel das Existenzrecht abspricht. Aber genauso wie die von Max Weber, Karl Marx, Max Horkheimer, Simone de Beauvoir, Theodor W. Adorno, Jutta Allmendinger und so weiter gehören Judith Butlers Gesellschaftstheorien zum aktuellen und vielzitierten Wissensstand der Soziologie. Wir machen unsere Universitäten und Hochschulen um viel Wissen ärmer, wenn wir Ihnen jetzt auch noch politisch vorschreiben wollen, welche soziologischen Theorien unterrichtet werden. Sie und ihre Zwangspartei-AfD wollen die grundgesetzlich verankerte Wissenschaftsfreiheit an den Hochschulen und Universitäten Sachsen-Anhalts abschaffen. 

Einmal mehr beweisen Sie hier, welchen Wert die Prinzipien unserer freiheitlich-rechtlichen Grundordnung für sie haben. Keinen. Und deshalb werden Sie mit Recht als Verfassungsfeinde beobachtet.

Sie wollen bestimmen, was geforscht werden darf und was die Studierenden lernen dürfen. Aber ich sage Ihnen klipp und klar: Mit uns nicht. Ihre gesichert rechtsextreme Partei gehört verboten und wir werden dafür kämpfen, dass das AfD-Verbotsverfahren endlich gestartet wird.

Zum Abschluss noch eine letzte Anmerkung: Wissen Sie, Herr Dr. Tillschneider, Ihr Schauspiel hier ist wirklich leicht zu durchschauen. Jede Landtagssitzung bringen Sie irgendeine krude und wahnwitzige politische Forderung ein. Sie halten hier Reden, die sogar einigen Ihrer Fraktionskollegen peinlich sind, wie man deren Gesichtern ablesen kann. Nur um die Öffentlichkeit abzustumpfen. Immer das gleiche wird sogar dann irgendwann langweilig, wenn es so atemberaubend extremistisch ist, wie ihre Vorschläge und das macht irgendwann unaufmerksam. Das ist der einzige Grund. Sie wollen das Leben für die Bürger*innen in Sachsen-Anhalt nicht besser machen. Sie wollen einfach nur öffentliche Debatte, bis es eben irgendwann keine mehr gibt, und dann wollen sie durchziehen. Aber nicht, solange es noch Demokrat:innen in diesem Parlament gibt.

Diesen ekelhaften Antrag lehnen wir ab. Vielen Dank.