Rede

Rechtsextremismus an Schulen bekämpfen: Erinnerungskultur und Demokratiebildung stärken

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Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe noch heute intensive Erinnerungen daran, wie – ich muss etwa 14 Jahre alt gewesen sein – das erste Mal durch die Pforten des Konzentrationslagers Ausschwitz-Birkenau gegangen bin. Diese Bedrückung, die man fühlt, das Schweregefühl. Ich erinnere mich auch an den Raum mit den abgeschnittenen Haaren, zu Büscheln zusammengebunden. An die Schuhe – vom Babyschuh bis zum Damenschuh – die so viele waren, dass ich sie gar nicht zählen konnte – und an fassungslose Tränen, die mir in diesem Moment kamen. An die Übelkeit, die ich beim Durchlaufen durch die Gaskammer gefühlt habe. 

So eine Gedenkstättenfahrt kann wirklich eindrücklich und auch erdrückend sein. Sie führt das Grauen und den Schrecken des deutschen Naziterros bildhaft vor Augen und zeigt gleichzeitig auf, wie wenig man trotzdem weiß von dem unfassbaren Leid. Es illustriert alles, was im Geschichtsunterricht über den deutschen Nationalsozialismus gelernt wurde. Und da liegt eben schon ein Knackpunkt. Gedenkstättenfahrten können wichitge Eindrücke liefern, ohne eine gute pädagogische Einbindung ist das aber langfristig wenig wirksam. Und wenn man mit Museumspädgagog*innen in den Gedenkstätten spricht, dann fehlt eben viel zu oft genau das. 

Gleichzeitig immunisieren Gedenkstättenbesuche eben auch nicht automatisch und für sich gesehen gegen Menschenfeindlichkeit und Autoritarismus. Gegen Antisemitismus, gegen Queerfeindlichkeit, gegen Rassismus. 

Wenn wir uns erinnern, waren Gedenkstättenbesuche in der ehemaligen DDR Pflichtveranstaltungen, alle heute über 45jährigen hier haben sie erlebt. Und eine Immunität gegen menschenfeindliche Einstellungen kann man hier nun wirklich nicht statuieren. Mit Blick auf die Leipziger Autoritarismusstudie eher zunehmend das Gegenteil.

Und dennoch bleibt die Auseinandersetzung, auch über den Unterricht hinaus, mit der Zeit des Nationalsozialismus wichtiger und nötiger Bestandteil der Bildung, auch über das Schulalter hinaus. Aber vielleicht hilft da tatsächliche Reflexion – auch und gerade mit Blick auf die alltägliche Gegenwart – mehr, als Rituale.

Auch wir Bündnisgrünen wollen, dass der Besuch von außerschulischen Lernorten, die sich mit den Schrecken des Nationalsozialismus auseinandersetzen, in den Rahmenlehrplänen verankert wird. Aber das können und sollen zum Beispiel auch Gedenkorte vor Ort sein, die in die Erinnerungskultur einbezogen werden können. Es muss nicht immer die Fahrt zum KZ Bergen Belsen sein. Das Mahnmal Magda in Magdeburg, Langenstein in Halberstadt, die Gedenkstätte für Opfer der NS-Euthanasie Bernburg, die Synagoge Gröbzig, das Denkmal für die Opfer des Faschismus in Dessau-Roßlau oder auch die Stolpersteine in der eigenen Gemeinde. An ihnen allen kann, mitunter sehr konkret und sehr dicht am eigenen Leben, verdeutlicht werden, wie sehr der Naziterror überall in Deutschland verbreitet war und stattfand und sich nicht auf die KZs beschränkte.  

Und in der Refelxion auf den eigenen Alltag wäre es dann vielleicht auch viel selbstverständlicher, weil die Notwendigkeit durch das Erkennen von Parallelen viel deutlicher, rechtsextremistische Vorfälle an Schulen zu melden und damit umzugehen. Und vielleicht hilft es auch Lehrkräften, im Umgang mit dem aktuell real existierenden Rechtsextremismus, wenn sich die Auseinandersetzung damit eben nicht nur auf ritualisierte Besuche konzentriert.

Ins Gesprächen mit Schüler*innen und Lehrkräften höre nicht nur ich inzwischen häufig, dass viele sich damit überfordert fühlen und durch eine falsche Interpretation des Beutelsbacher Konsens Angst haben, sich gegen rechtsextremistische Vorfälle an ihren Schulen auszusprechen. Dabei ist es Mitnichten so, dass Lehrkräfte aufgrund eines vermeintlichen Neutralitätsgebots sich nicht äußern dürften. Im Gegenteil, es ist sogar die Pflicht von Lehrkräften, die Werte unseres Grundgesetzes zu vermitteln und die Demokratie in den Schulen zu verteidigen. Lehrkräfte brauchen entsprechende Weiterbildungen, um Rechtsextremismus begegnen zu können. Und gleichzeitig braucht es eine Meldestelle für Rechtsextremismus an Schulen, damit Betroffene wissen, wohin sie sich wenden können. 

Wenn wir schon mal beim Thema Demokratie an Schulen sind. Am besten vermittelt man die Vorzüge der Demokratie, indem man diese erfahrbar macht. Aber das fehlt gerade in unseren Schulen. Schüler*innen müssen in der Schule mitbestimmen können. In der Schüler*innenvertretung aber auch in niedrigschwelligen Möglichkeiten. Von Abstimmungen darüber, welches Buch im Englischunterricht im Schulhalbjahr gelesen wird, zu Klassenräten die abstimmen, welche Klassenfahrt und Exkursionen die Schüler*innen sich wünschen. Da gibt es unzählige Möglichkeiten, die Stand jetzt in Schulen viel zu selten genutzt werden. 

Sie sehen: Wir Grüne sehen da noch Beratungsbedarf beim Thema und wollen das weiter Denken. Was uns aber eint, ist das Anliegen, Rechtsextremismus in Schulen zu bekämpfen. Dafür setzen wir Grüne uns mit aller Kraft ein. Deswegen sind für eine Überweisung des Antrags in die zuständigen Fachausschüsse. 

Vielen Dank.