Sehr geehrte Damen und Herren,
böse gesagt handelt es sich hier um einen reinen Schaufensterantrag zur kommenden Bundestageswahl. Denn erstens ist Rente nun wahrlich ein reines Bundesthema und zweitens adressiert ihr Antrag halt die große potentielle Wählergruppe der Rentnerinnen und Rentner. Ist natürlich legitim. Wahlversprechen sind gang und gäbe im Wahlkampf. Aber wir sind hier halt eigentlich keine Wahlkampfarena. Und überdies ich finde ihr vorgelegtes Wahlversprechen auch nur so halb überzeugend.
Ihr konzeptioneller Ansatz einer Bürgerversicherung im Rahmen der Gesetzlichen Rentenversicherung, da gehen wir natürlich mit. Das Prinzip Bürgerversicherung ist für alle Säulen der Deutschen Sozialversicherung der Königsweg, um die Einnahmeseite nachhaltig und fair zu verbessern.
Aber ihre eigentliche konkrete Forderung, Renten unter 1.800 Euro steuerfrei zu stellen – na ja der ist doch ziemlich erratisch und letztlich geradezu FDP-Sprech: mehr netto vom brutto. Überzeugt mich nicht nur nicht, sondern finde ich auch ungerecht.
Warum? Ganz einfach: sie würde mit ihrem Vorschlag auch hohe Renten steuerlich besserstellen als Niedriglöhne.
Kurz erklärt: Der steuerpflichtige Teil der Rente berechnet sich durch Abzug des Rentenfreibetrags und des Grundfreibetrags. Der Rentenfreibetrag liegt aktuell bei 16,5% und reduziert sich mit jedem Jahr um 0,5%. Bis dann im Jahre 2058 die Rente zu 100% versteuert werden muss. Was aber stets auch greift heute wie wohl auch 2058 ist der Grundfreibetrag. Bei Erwerbseinkommen wie bei Renten. Der Grundfreibetrag ist von Rentenzahlung wie von Erwerbseinkommen abzuziehen, um den Betrag zu erhalten, den sie dann versteuern. Aktuell liegt dieser bei 12.096 Euro.
Dieser Grundfreibetrag wird ausgehend von einem sozio-kulturellem Existenzminimum berechnet und bewegt sich damit etwa auf der Höhe auch der Pfändungsfreigrenze und den Regelsätzen des Bürgergeldes. Der Grundfreibetrag bezieht sich also auf einen Betrag, den es mindestens braucht, um eine minimale sozio-kulturelle Teilhabe zu gewährleisten. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Daher umfasst dieser Betrag eben auch Bildung, Kultur, Mobilität Der Grundfreibetrag ist für mich letztlich Ausfluss des Sozialstaatsgebotes und der Menschenwürde. Das Existenzminimum muss steuerfrei sein.
Soweit alles richtig und stimmig. Warum also sollten wir als Politik jetzt für die Gruppe der Rentner*innen einen höheren Freibetrag einführen?! Warum die Renten hier einseitig besserstellen? Warum Beziehende von Erwerbseinkommen einseitig belasten?! Das erschließt sich mir nicht. Damit stellen sie auch hohe Renten steuerlich besser, als niedrige Erwerbseinkommen. Das scheint mir klar ungerecht zu sein.
Ausgangspunkt der nachholenden Besteuerung der Renten, also des jährlichen Abschmelzens des Rentenfreibetrags bis 2058, ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die ungleiche Besteuerung von Renten im Vergleich zu Pensionen und Betriebsrenten als unvereinbar mit dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes einstufte. Wenn Renten bis 1.800 Euro steuerfrei wären – gemäß ihres Antrags verehrte LINKE – dann würde dies eine ähnliche Schieflage bewirken, wie sie das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf Renten und Pensionen abgelehnt hat. Mehr als Enthaltung ist da unsererseits nicht drin.
Danke.