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Schulsozialarbeit: Ein echtes Landesprogramm jetzt umsetzen und ein Finanznothilfeprogramm für Kommunen auflegen!

Sehr geehrte Damen und Herren,

Viele der Schulen, die ich in den letzten Monaten besucht habe, haben eine oder einen. Schulsozialarbeiterinnen gestalten das Schulklima, unterstützen bei kleinen Nöten oder großen Problemen, sind ansprechbar für Schülerinnen, Lehrerinnen und Eltern. Sie sichern den Schulerfolg im besten – in jedem – Sinne. Erfolg für die Schülerinnen und Erfolg für die Schulen. Das merke ich besonders in Schulen, die keine haben. Weil sie an ihrer Schule nicht vorgesehen ist, oder die Stelle gerade nicht besetzt ist. Da wünscht man sich vieles, aber eben auch unbedingt Schulsozialarbeit. Und wo es welche gibt, fürchtet man darum, die Sozialarbeiterinnen zu verlieren.

Denn die Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt ist in Gefahr. Und das ist in unserem Bundesland leider nichts Neues. Alle Jahre wieder stehen wir hier und führen immer und immer wieder dieselbe Debatte. Der Kern dieser Debatte ist die Frage, ob wir uns in Sachsen-Anhalt eine bedarfsgerechte Schulsozialarbeit leisten wollen oder nicht. Und die Antwort der CDU in unserem Bundesland ist: Nur so viel Schulsozialarbeit wie sein muss, aber definitiv nicht so viel, wie notwendig ist. Nicht so viel, wie viel unsere Schülerinnen bräuchten. 

Und eigentlich fühlt sich die Bildungsministerin nicht so richtig zuständig. Anders lässt sich das – bildhaft gesprochen – Schulterzucken nicht erklären, mit dem sie, Frau Feußner, auf die Tatsache reagieren, dass einige Kommunen in unserem Land, mit Blick auf die nächste Förderperiode, erklären, dass sie sich den vorgesehenen Eigenanteil von 20% für die weitere Förderung der Schulsozialarbeit nicht werden leisten können. Das bedeutet das Ende von Schulsozialarbeit, zum Beispiel in Stendal.

Es ist ein Skandal, wie gleichgültig das Thema der zuständigen Ministerin ist. Frau Feußner, als man Sie im Bildungsausschuss darauf ansprach, dass einige Kommunen sich den 20-prozentigen Finanzierungsanteil für Schulsozialarbeit nicht leisten können, haben Sie erwidert, dass die Kommunen die Schulsozialarbeit ja von den Mitteln zahlen können, die sie für die Jugendhilfe erhalten. Mal davon abgesehen, dass Sie hier offenbar dem weit verbreiteten Irrglauben unterliegen, Jugendarbeit wäre eine freiwillige – und damit im Zweifel obsolete – Aufgabe, sollen sich also betroffene Kommunen entscheiden, ob sie zum Beispiel einen Jugendclub schließen, um die Schulsozialarbeit zu finanzieren. Frau Feußner, DAS ist für Sie eine akzeptable Lösung? Das kann man sich kaum ausmalen. Wie egal können einem die Bedürfnisse von jungen Menschen in unserem Bundesland eigentlich sein? 

Noch im Koalitionsvertrag haben die Koalitionsfraktionen versprochen, „sich für eine Verstetigung“ der Schulsozialarbeit einzusetzen. Es wurde oft davon gesprochen, den Status Quo hier in Sachsen-Anhalt zu erhalten. Ja, Frau Feußner, auch ihre CDU-Fraktion hat den Koalitionsvertrag unterschrieben. Mittlerweile können wir mit Sicherheit sagen: Das war eine Lüge und der Koalitionsvertrag besteht an dieser Stelle aus leeren Worthülsen. 

Dabei ist Schulsozialarbeit für unsere Schullandschaft von immenser Bedeutung und eine schulgesetzlich verankerte Landesaufgabe. Sie ist eine wichtige Maßnahme gegen hohe Schulabbruchquoten und Teil der Lösung des Lehrkräftemangels. Denn Schulsozialarbeiterinnen unterstützen die Schülerinnen bei der Bewältigung von Schul- und Lebensproblemen und sind wichtige Ansprechpartnerinnen für die Eltern. Gleichzeitig entlasten sie auch unsere Lehrkräfte von unterrichtsfernen Aufgaben. 

Nicht zuletzt hat die Coronapandemie uns allen vor Augen geführt, wie wichtig Schulsozialarbeit für die Schulen ist.   Die Pandemieerfahrungen haben die seelische Stabilität vieler Kinder und Jugendlicher negativ beeinflusst. Ihre Sorgen und Ängste können sie bei ihrer Schulsozialarbeiterin ansprechen – in einem vertraulichen Umfeld. Gleichzeitig haben viele Schulsozialarbeiterinnen auch den Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen aufrechterhalten, die nicht die technische Ausstattung hatten, um an eventuell stattgefundenen digitalen Unterricht teilzunehmen oder bei denen die Kommunikation mit der Schule aus verschiedensten Gründen abgebrochen ist. 

Wir Bündnisgrüne sind den Schulsozialarbeiterinnen für ihr Engagement in unseren Schulen unendlich dankbar. Nicht erst seit der Pandemie leisten sie Großartiges für unsere Schülerinnen, für die Zukunft unseres Landes. Deswegen muss jede einzelne Stelle in der Schulsozialarbeit erhalten bleiben. Und gleichzeitig müssen wir als Politik dafür sorgen, dass es MEHR Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt gibt und nicht weniger. Und zwar mindestens eine Stelle an jeder Schule!

Und nicht nur für die Schulen ist die aktuelle unsichere Situation eine missliche Lage. Denn sie verließen sich darauf, eine Schulsozialarbeiterin zu haben und halten zu können. Auch für die Schulsozialarbeiterinnen selbst ist die Situation äußerst schwierig. Sie müssen eh jedes Jahr damit rechnen, ihre Anstellung zu verlieren und sich einen neuen Job suchen zu müssen. Es mag eine Binse sein, aber ab und zu muss man es offenbar doch aussprechen:  Hinter jeder Schulsozialarbeitstelle steht eine Existenz. Und zwar die Existenz einer qualifizierten Fachkraft. In Zeiten von Fachkräftemangel. Sie alle haben in schwierigen Bedingungen einen guten und hoch relevanten Job gemacht und werden nun von der Landesregierung mit Ignoranz bestraft. 

Und was sollen denn die Kommunen machen, die sich die 20% Eigenanteil bei der Finanzierung einfach nicht leisten können? Wie die hochverschuldeten Kommunen in unserem Land diese Kosten tragen sollen, darauf konnte uns Bildungsministerin Feußner bis heute noch keine Antwort geben. 

Sozialarbeit ist Beziehungsarbeit. Und besonders Schulsozialarbeit lebt von Vertrauen und Verlässlichkeit. Das haben Sie, Frau Bildungsministerin, mit ihrer desinteressierten Haltung zur kommunalen Beteiligung in der neuen Förderperiode einmal mehr zerstört.

Wir Grüne wollen verhindern, dass Schulsozialarbeit abgebaut wird. Schulsozialarbeit ist Prävention. Alles, was hier investiert wird, spart das Land an Folgekosten für fehlende Schulabschlüsse, Schulabstinenz, Mobbingopfer, überlastete Lehrerinnen, überforderte Eltern und so viel mehr. 

Wir sagen deswegen deutlich: Sachsen-Anhalt braucht ein Landesprogramm Schulsozialarbeit, in welchem die Schulsozialarbeit dauerhaft und verlässlich vom Land finanziert wird. Und sehr schnell brauchen wir MINDESTENS einen Notfallfonds, ein Notfallprogramm, für all die Kommunen, die sich den Eigenanteil auf keinen Fall leisten können. Wir werden entsprechende Anträge bei den Verhandlungen zum Landeshaushalt einreichen. Denn es ist eben KEINE Lösung für die Kommunen, an Jugendarbeit zu sparen, um Schulsozialarbeit finanzieren zu können. 

Sehr geehrte Damen und Herren, die Schulsozialarbeit in unserem Bundesland ist in Gefahr. Weil Sie, verehrte Bildungsministerin, es zulassen. Weil Sie für dieses wichtige Thema nicht kämpfen und im Zweifel beim Finanzminister Richter einknicken. Entweder fehlt ihnen das Rückgrat oder der notwendige politische Wille. Beides wäre ein schlechtes Zeichen für die Bildungspolitik unseres Landes. 

Wir Bündnisgrüne kämpfen dafür, dass Schulsozialarbeit ein fester Bestandteil von allen Schulen wird – dauerhaft, verlässlich, überall im Land und für jede Schule. Das ist unser Ziel. 

Vielen Dank.