Rede

Rechtsextremismus stoppen – Schulen brauchen Schutz und klare Rückendeckung

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Anrede,

Sehr geehrte Damen und Herren,

Hitlergrüße in der großen Pause. „Heil Hitler“-Rufe auf Schulfluren. Hakenkreuze auf Schultafeln gekritzelt oder in Tische geritzt. Das sind keine Einzelvorfälle. Und es endet da nicht. 

Das alles passiert in Schulen in Sachsen-Anhalt.  Und es wird mehr. Das berichten Schüler*innen, Lehrkräfte und Eltern aus ihrem alltäglichen Erleben.

Dass das mehr als nur eine subjektive Wahrnehmung ist, zeigen die Zahlen: 2024 gab es 185 rechtsmotivierte Straftaten an Schulen in Sachsen-Anhalt. Im Vorjahr gab es 74. Die Anzahl hat sich damit mehr als verdoppelt und das innerhalb von einem Jahr. Das ist ein krasser Befund. Und es zeigt ganz deutlich: gesellschaftliche Entwicklungen erreichen unsere Schulen unmittelbar.

Eltern geben ihren Kindern ihre Ansichten weiter. Kinder und Jugendliche radikalisieren sich auf Tiktok, zum Beispiel mit Videos von einem Raumduft-Dealer, der jetzt in wenigen Sekunden einen auf dicke Hose macht, in dem er wahlweise gegen Menschen anderer Hautfarbe, queere Menschen oder Frauen hetzt. Oder von nem peinlichen älteren Herren, der verunsicherten Jungs sein schräges Bild von Männlichkeit um die Ohren blubbert. Oder rechtsextreme Parteien, die in der Öffentlichkeit davon fantasieren, dass Kinder in Schulen indoktriniert würden. Nur um dann selbst mit Flyern, CDs und Ständen vor den Schulen stehen – um die Kinder mit ihrem Hass und ihrer Hetze zu vergiften.

Und natürlich tragen die Kinder und Jugendlichen das, was sie Sehen, dass was sie Hören und was sie Erleben, in die Schulen.

Bereits im letzten Jahr haben die ostdeutschen Landesschülerräte einen Hilferuf abgesetzt. Auch sie bemängeln den Anstieg von rechtsextremen Vorfällen an Schulen. Sie machten ihre Angst davor deutlich, dass es den Schulen an Schutz vor rechtsextremen Offensiven fehlt. Sie wandten sich an die Politik, mit konkreten Forderungen und Vorschlägen. Das stieß weitgehend auf taube Ohren. Erkennbare Änderungen sind und bleiben bisher Fehlanzeige. 

Dabei gebe ich den Lehrkräften keineswegs die Schuld an der Situation. Der Alltag in den Schulen ist überlastend. Ich als Krankenpflegerin kann es nachvollziehen: Wenn es brennt, dann konzentriert man sich auf das Notwendige. Dann priorisiert man das Drängendste. Was bei mir die Grundversorgung der Patient:innen war, mit oft zu wenigen Kolleg:innen, das ist in den Schulen zum Beispiel die Unterrichtsversorgung. 

Die Arbeit, die unsere Lehrkräfte da machen, ist aller Ehren Wert und dem zolle ich meinen Respekt.  Dieser Job ist mit viel Aufopferung verbunden. Vor allem mit mentaler Kraft und Verantwortung. Verantwortung gegenüber Kindern und Jugendlichen, die mit einer guten Bildung den Grundstein und die Voraussetzung für ihr weiteres Leben legen. Und dann kommt da noch der ansteigende Rechtsextremismus an Schulen on top.

Und deswegen möchten wir Grüne mit unserem Antrag die Lehrkräfte, die Schüler*innen und die Schulleitungen im Kampf gegen rechtsextreme Angriffe auf und in Schulen unterstützen. Denn alle, die sich gegen Rechtsextremismus positionieren, die damit für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung einstehen, verdienen maximale Rückendeckung statt Angst und Bedrohungen. 

Unser Antrag hat drei Schwerpunkte: 

Erstens: Wir wollen Schulen stärken, die Demokratie aktiv zu verteidigen.

Rechtsextreme Einstellungen nehmen in der Gesellschaft zu – und das ist auch in Schulen spürbar. Viele Lehrkräfte fragen sich: Darf ich hier eigentlich noch klar sagen, wo die Grenze ist? Darf ich benennen, dass eine Aussage rassistisch, antisemitisch oder demokratiefeindlich ist? Darf ich äußern, dass die AfD eine gesichert rechtsextreme Partei in Sachsen-Anhalt ist? Oder verletze ich damit das Neutralitätsgebot?

Wir Grüne sagen ganz klar: Schule ist kein neutraler Raum gegenüber Feinden der Demokratie. Schule ist der Ort, an dem unsere Verfassung gelebt, erklärt und verteidigt wird. Und deswegen ist es Auftrag, Aufgabe und Pflicht von Schule, sich Rechtsextremismus entgegenzustellen. 

Deshalb wollen wir einen bestärkenden Erlass und einen Schulleitungsbrief des Bildungsministeriums. Beides zusammen soll ein klares Signal an alle Beschäftigten an Schule senden:

Ihr dürft und ihr müsst gegen verfassungsfeindliche Aussagen vorgehen. Es ist eure Aufgabe, die Demokratie zu verteidigen und Schüler*innen vor rechtsextremen Angriffen und Ideologien zu schützen. Wer in der Schule widerspricht, wenn der Holocaust relativiert wird, wenn Menschen abgewertet oder bedroht werden, handelt nicht „unneutral“, sondern steht auf dem Boden unseres Grundgesetzes. 

Und ja, bevor die Zwischenrufe und Nachfragen dazu kommen: das gibt der Bildungsauftrag, der im Schulgesetz formuliert ist, bereits her. Diese Einschätzung teile ich. Und trotzdem stellen wir an den Schulen fest, dass die Lehrkräfte verunsichert sind. Deswegen braucht es diese explizite Klarstellung. 

Zweitens geben wir den Lehrkräften, Schulleitungen und dem Schulpersonal mehr Handlungssicherheit. 

Viele Lehrkräfte sind verunsichert, weil immer wieder mit dem Beutelsbacher Konsens oder mit dem Neutralitätsgebot des Beamtenstatusgesetzes gewunken wird – oft übrigens von genau denen, die unsere Demokratie delegitimieren wollen. Der Beutelsbacher Konsens war nie als Maulkorb für engagierte Lehrkräfte gedacht. Er verbietet Indoktrination – aber er verlangt ausdrücklich, dass Schüler*innen befähigt werden, politische Zusammenhänge zu verstehen und ihre eigenen Interessen in einer Demokratie wahrzunehmen.

Dafür hilft, ergänzend zur bestehenden Handreichung zur Demokratiebildung eine eigene, spezielle Handreichung zum Umgang mit Rechtsextremismus an Schulen. Die Handreichung soll erklären, was der Beutelsbacher Konsens konkret meint und wie das im Beamtenstatusgesetz formulierte Neutralitätsgebot zu verstehen ist. Sie soll deutlich machen, dass es Aufgabe von Schule ist, verfassungsfeindliche Positionen klar zurückzuweisen und konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzeigen: Was mache ich, wenn in der Klasse rechtsextreme Parolen fallen? Wie gehe ich mit Eltern um, die offen rechtsextreme Positionen vertreten? Wie dokumentiere und melde ich Vorfälle – und an welche Stelle?

Und wir wollen, dass das Bildungsministerium eine Fortbildungsreihe anbietet, die das Schulpersonal im Kampf gegen den Rechtsextremismus konkret stärkt: Dabei, Radikalisierungstendenzen bei Schüler*innen zu erkennen. Zu lernen, welchen Einfluss Social Media auf die Verbreitung von Rechtsextremismus unter Kindern und Jugendlichen hat und wie man da Gegenpunkte setzen kann. Und natürlich generell zum Umgang mit Rechtsextremismus an Schulen. Wie man argumentiert, wie man Grenzen setzt, wie man Betroffene stärkt und wie man sich selbst schützt. 

Und drittens wollen wir die Schutzstrukturen für die Schulen verbessern. Mit einer Meldestelle, mit mehr Beratungsmöglichkeiten und niedrigschwelliger Unterstützung. Wenn rechtsextreme Vorfälle oder Bedrohungen auftreten, brauchen Lehrkräfte, Schüler*innen und Eltern verlässliche Strukturen. Und zwar unabhängig davon, ob eine engagierte Schulleitung zufällig ein gutes Netzwerk hat.

Deshalb wollen wir eine zentrale Meldestelle in Form einer Ombudsstelle im Bildungsministerium. Dort sollen rechtsextreme Vorfälle von Schulpersonal, Schulleitungen, Schüler*innen und Eltern gemeldet werden können. Vertraulich, niedrigschwellig, ernstnehmend.

Außerdem soll es eine Vertrauensanwältin oder einen Vertrauensanwalt geben, an den sich Lehrkräfte, Schüler*innen und Eltern wenden können, wenn sie rechtsextremen Angriffen ausgesetzt sind – zum Beispiel, weil sie in der Schule rechtsextremen Positionen widersprochen haben und daraufhin AfD-Politiker Dienstaufsichtsbeschwerden einreichen, oder weil sie von Rechtsextremen in der Öffentlichkeit oder in der Schule bedroht werden. Diese Rechtsberatung soll kostenlos und professionell sein. Wer für die freiheitlich demokratische Grundordnung und die Demokratie einsteht, darf am Ende mit Bedrohungen und Angriffen nicht alleine dastehen.

Und wir wollen, dass die mobilen Beratungsangebote gegen Rechtsextremismus den Schulen kostenlos zur Verfügung stehen. Bisher müssen Schulen für solche Angebote zahlen. Das ist ein fatales Signal. Wir sagen: Zugang zu Hilfe und Beratung muss den Schulen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. 

Mit unserem Antrag stärken wir Grüne Schulen darin, die Demokratie zu verteidigen. Wir geben Lehrkräften Handlungssicherheit statt Angst vor angeblicher „Unneutralität“.
Wir bauen Schutzstrukturen auf, die Richtung geben und helfen, wenn es ernst wird.

Schule muss ein sicherer Ort sein. Für alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von Hautfarbe, Herkunft, Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Und Schule muss ein Ort sein, an dem unsere Demokratie gelernt, gelebt und verteidigt wird – und zwar ohne, dass diejenigen, die das tun, Angst vor rechtsextremen Angriffen haben müssen.

Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.