Rede

Politik auf Kindernasenhöhe – für kindgerechte Kitas und echte Beteiligung

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Sehr geehrte Damen und Herren,

Kinder sind also unsere Zukunft. Klingt erstmal logisch und sinnvoll, und irgendwie zugewandt. Und trotzdem gibts es da für mich ein erhebliches Störgefühl. Denn was bedeutet diese Feststellung ebenfalls? So wirklich bedeutsam sind Kinder als Kinder im Hier und Heute nicht; wirklich bedeutsam sind sie nur als zukünftige Erwachsene. Als die heranwachsenden Funktionsträger gesellschaftlicher Pflichten und Aufgaben von morgen. Als Auftrag, sich für die Rechte von Kindern einzusetzen, taugt dieser Satz, und der Blickwinkel auf Kinder, der dahintersteht, nicht. Ganz im Gegenteil, trägt er im Kern doch eben die adultistischen Züge, gegen die man sich eigentlich mit dieser Aussage wenden will. Kurz zu Erklärung: Adultismus ist der Begriff für die Diskriminierung und Geringschätzung von Kindern. Dass er kaum bekannt ist, spricht Bände. Kinder nicht ernst zu nehmen, Kinder nur als zukünftige, aber  noch nicht fertige Erwachsenen zu betrachten, im besten Fall als Schutzobjekte staatlicher Aufsicht und Förderung, UN-Kinderrechtskonvention hin oder her – das wird Kindern nicht gerecht.. Für eine echte Politik im Sinne der Kinder muss man sie als Mitbürger*innen im Hier und Heute begreifen. Anerkennen in ihrem gegenwärtigen Kindsein. Ernst nehmen mit ihren Anliegen und Ansichten. Nicht erst morgen, sondern jetzt.

Wer Erwachsenen blind eine Autorität über Kinder zuspricht, wer Lehrkräfte sakrosankt setzt, wer Lehrjahre ausdrücklich als Befehlsempfängerjahre versteht, wer auf eine Standpauke statt auf Argumente setzt der hat den Geist der UN-Kinderrechtskonvention die letzten drei Jahrzehnte geflissentlich ignoriert. 

Das trifft auch auf eine CDU zu, die sich dagegen gesträubt hat die Beteiligungsrechte von Kindern in unsere Landesverfassung aufzunehmen. In den damaligen Debatten ist diese sogenannte dritte Säule der Kinderrechte nicht gegen die Konservativen im Landtag durchsetzbar gewesen. Schutzrechte, die erste Säule. Ja. Förderrechte als zweite Säule. Ok. Aber Beteiligungsrechte no way. Warum? Weil sie Kinder nur als Schutzobjekte, unmündig, unfertig, unreif wahrnehmen. Man tätschelt ihnen den Kopf. Hört aber nicht wirklich zu. Man sorgt sich aufrichtig um ihr Wohlergehen, will aber doch immer das letzte Wort haben. Man will vor Gefahren und Gewalt schützen. Wahlrecht mit 14 hält man aber für lächerlich. Adultismus ist in unserem Land noch immer eher die Norm als der Skandal.

Aber ich finde die Überschrift ihrer Debatte verehrte LINKE stößt da eben in dasselbe Horn. Ich weiß, ich weiß darum geht es Ihnen nicht und Kinderrechte sind ihnen ein wirkliches Anliegen. Dann sollte man sich aber bei Debatten etwas mehr sprachliche Aufmerksamkeit zumuten und nicht einfach in die Mottenkiste politischer Phrasen greifen. 

Aber einmal vorausgesetzt so war das nicht gemeint, sondern nur unsauber formuliert, bin ich natürlich ganz bei Ihnen. Unser Gesetzentwurf zum KiföG mit dem Ziel eines Personalmoratoriums zielt ja genau in die gleiche Richtung. Personalabbau und im schlimmsten Fall Kitaschließungen im Land zu vermeiden. Und endlich die sich bietende Gelegenheit zu nutzen den Personalschlüssel im Land strukturell zu verbessern. Ich habe wirklich die Hoffnung, dass wir im Sozialausschuss noch einen Gesetzesentwurf dazu hinbekommen.  

Denn das verdienen unsere Kinder. Das verdient das Fachpersonal. Kinder brauchen verlässliche Bezugspersonen in der Kita. Kinder brauchen Fachpersonal, das sich Zeit nehmen, zuhören und kümmern kann. Ohne Zeitdruck. Ohne Überlastung. Ohne Überforderung auf Grund zu großer Gruppen. 

Kindgerechte Kitas, warum ist das mehr Wunschbild als Realität?! Es kann ja wohl wirklich nicht sein, dass wir gegenwärtig so wenige Kinder im Land haben wie nie zuvor und trotzdem keine kindrechten Kitas gestemmt bekommen. Je weniger Kinder es gibt desto leichter sollte es eigentlich sein, diesen gerecht zu werden. Ihren diversen Lebenswirklichkeiten zu entsprechen. Ihren individuellen Bedarfen gerecht zu werden. Migrations- und kultursensibel, geschlechtergerecht und inklusiv.

Eine freiheitliche und demokratische Gesellschaft gestattet nicht erst ab der Volljährigkeit aktive Teilhabe. Nicht erst der Eintritt ins Erwerbsleben macht uns zu wertgeschätzten Mitgliedern unserer Gesellschaft. Work-Life Balance betrifft nicht nur Arbeitnehmer. Sondern School-Life Balance und Kita-Life Balance sollte irgendwie auch ein Anliegen sein, finden sie nicht. 

Ob 2 Jahre  25 oder 75 –  ein Recht auf Teilhabe genießen wir alle, in allen Lebensjahren. Dazu gehören, um den Bogen zurück zum Ausgangspunkt zu schlagen: kindgerechte Kitas. Hochqualifizierte frühkindliche Bildung. Genügend Personal. Gute Ausstattung. 

Hier ist natürlich nicht nur das Land gefragt. Sondern gemäß der Finanzierungslogik unseres KiföG alle politischen Ebenen und die  Eltern. Gerade die Kommunen müssen über ihre Kitaplanung für ein tragfähiges und bedarfsgerechtes Netz an Einrichtungen sorgen. Diese Aufgabe wird in Zukunft bei weiter sinkenden Kinderzahlen natürlich nicht leichter. Umso wichtiger, dass sich jede Kommune dieser Aufgabe aktiv stellt und nicht auf eine quasi kalte Marktbereinigung wartet. Was wir von der Schulentwicklungsplanung im Land ist kennen, kann doch flächendeckend durch eine Kitaentwicklungsplanung ergänzt werden – sollte es sogar. Ich meine da haben wir noch einige Lücken im Land.

Wir werden um Veränderungen nicht herumkommen. Die Frage ist nur: planen wir diese aktiv. Oder ereilen sie uns in Form von Katastrophen. Ja, die sinkenden Kinderzahlen verursachen eine Krise im Betreuungssystem. Jetzt können wir entweder die Chancen nutzen, die in der Krise liegen und unser System besser machen. Oder die Krise läuft Gefahr, Eltern und Kindern im Land eine noch schlechtere außerfamiliäre Betreuung zuzumuten. 

Unser Gesetzesentwurf will die Gelegenheit beim Schopfe packen. Unsere Kitas im Schnitt besser machen. Lassen sie uns diese Gelegenheit nicht verpassen. Die Götterfigur des Kairos – Sinnbild des günstigen Augenblickes – hat nur ein Haarbüschel an der Stirn. Wer ihn nicht gleich bei erster Gelegenheit beim Schopfe packt, hat die Chance vertan. Das Zeitfenster schließt sich und das heißt in unserem Fall: Kitapersonal geht verloren, Einrichtungen schließen. 

Das können wir alle nicht wollen. Daher lassen Sie uns – um den Debatten im Sozialausschuss etwas vorzugreifen – gemeinsam eine Lösung finden.

Wir stehen bereit. Jetzt und in der kommenden Legislatur. Mit uns Grünen haben Kinder immer eine starke Stimme in der Politik. Wir Grüne stehen für eine Politik auf Kindernasenhöhe wie wir es bereits in unserem Grundsatzprogramm 2002 plastisch formuliert haben.

Meine Kollegin Conny Lüddemann hat schon 2012 erstmalig die Kinder- und Jugendgremien im Land in den Landtag eingeladen und via Open Space deren Meinungen und Interessen Raum geboten. Da waren wir Grünen gerade erst ein Jahr im Landtag. Wir haben dann gleich 2013 ein Gesetz zur Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in den Landtag eingebracht. Auf Grüne Initiative hin haben wir seit vielen Jahren das überaus erfolgreiche Landeszentrum Jugend & Kommune zur Stärkung der Beteiligung der jungen Generation vor Ort. Kinderrechte ins Grundgesetz fordern wir Grünen schon so lange ich denken kann. Es geht dabei nicht um ein überidealisierendes „Gebt den Kindern das Kommando“ wie es Herbert Grönemeyer einmal besungen hat. Aber Kinder und Jugendliche haben schlicht und ergreifend halt ein Wörtchen mitzureden. Immer und überall. Heute wie morgen. Und lernen können sie das in guten Kitas.

Danke.