Sehr geehrte Damen und Herren,
für ein bisschen Klassenkampf bin ich eigentlich immer zu haben. Aber an dieser Stelle verehrte Linke zielt ihr Aufruf gegen kapitalistische Umtriebe ins Leere. Die finanzielle Schieflage vieler Häuser liegt ja nicht daran, dass Investoren Geld aus dem System ziehen. Das Problem ist nicht, dass Mehrwert generiert und abgeschöpft würde auf Kosten der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung.
Die aktuellen Geldsorgen vieler Krankenhäuser, ob kommunal, gemeinnützig oder privatwirtschaftliche betrieben, liegen neben steigenden Betriebskosten an den nach Corona nicht wieder erreichten Fallzahlen. Das hat uns das kürzlich veröffentlichte Krankenhaus-Gutachten klar vor Augen geführt. Und da das aktuell noch bestehende Finanzierungssystem für Kliniken in Deutschland halt einzig auf Fallzahlen basiert, gerät der Boden der Klinikfinanzierung natürlich ins Schwanken. Dieses Fallzahlen-Konstrukt hat mit seinen Fehlanreizen der Gesundheitsfinanzierung in Deutschland ohnehin massiv geschadet, aber gehen Fallzahlen dauerhaft zurück, entstehen für die Kliniken finanzielle Einbußen, die nicht zu beheben sind. Verschärft wird die Lage durch das uns alle treffende Biest der Inflation.
Nach dem vielen Rumdoktorn am Finanzierungssystem durch die früheren FDP und CDU Gesundheitsminister, bei dem hier noch ein spezieller Sicherstellungszuschlag eingefügt, dort eine Sonder-Fallpauschale geschaffen wurde, hat die Ampel das DRG-System überwunden. Dieser Gordische-Knoten wurde nach 16 Jahren CDU Regierung endlich durchschlagen. Ja, manchmal trägt ein linker Revoluzzer halt auch Fliege.
Was ich sagen will: die Krankenhausreform der Ampel-Koalition stellt das Finanzierungssystem der Krankenhäuser endlich vom Kopf auf die Füße. Sie schiebt der Ökonomisierung der Krankenhäuser einen Riegel vor. Beendet das Schielen der kaufmännischen Geschäftsführer auf möglichst lukrative Leistungen mit möglichst hohen Fallpauschalen. Und das finde ich auch gut für die kaufmännischen Geschäftsführer.
Wenn wir mit der Reform jetzt zu einer 60% Vorhaltefinanzierung der Kliniken kommen, dann sichern wir die Gesundheitsversorgung, dann garantieren wir Daseinsfürsorge. Das ist mehr Gemeinwohl. Und weniger Marktlogik. Ja, das wird gesteuert über Strukturvorgaben und Mindestmengen. Und das bedeutet notwendigerweise Veränderungen im Krankenhaus-Netz. Das ist aus Sicht der Qualitätssicherung aber absolut sinnvoll. Das kann für ein Flächenland mit kleinen aber bedarfsnotwendigen Häuser eine Unwucht mit sich bringen, bei der der Ausgleich herausfordernd werden kann. Aber statt zu lamentieren, sollte man daraus die richtigen, die produktiven, nach vorne gedachte Schlüsse ziehen – siehe zum Beispiel die Ideen zu einem Zentralklinikum im Harz. Hochqualifizierte und spezialisierte Versorgung an zentralen Orten, für alle erreichbar. Und in der Fläche ambulante und niedrigschwellige Anlaufpunkte für alle Gesundheitsbedarfe.
Also den Impuls ihres Antrags und ihrer Aktuellen Debatte, verehrte Linke : „Gesundheit ist keine Ware“, hat die Ampel begonnen, umzusetzen.
Ja, es gibt schwarze Schafe auf dem Gesundheitsmarkt, aber die Herausforderungen im Gesundheitsbereich sind nicht die Bekämpfung von Heuschrecken und das Rausdrängen privater Investoren und Träger. Ich denke, mit der Trägervielfalt in Deutschland können wir gerade im Klinikbereich gut leben.
Die Herausforderungen bestehen darin, anzuerkennen, dass wir gerade in Gesundheitsversorgung vor einem grundlegenden und tiefgreifenden Strukturwandel stehen. Ob es uns passt oder nicht: er steht bevor. Und wir haben die Wahl, ihn entweder geschehen zu lassen, das heißt: wir gucken mal was passiert – und was dann passiert, sehen wir aktuell bei Pfeiffers in Magdeburg, oder in Dessau. Oder wir fangen endlich an, diesen Strukturwandel zu gestalten!
Wir entwickeln endlich wirkliche intersektorale Angebote in der Fläche. Wir stimmen die ambulante Bedarfsplanung und die stationäre Krankenhausplanung endlich aufeinander ab und verzahnen sie. Wir befördern echte Multiprofessionalität bei der sich Therapeutinnen, Pflegekräfte und Ärzteschaft auf Augenhöhe begegnen, kooperieren und die Versorgung gemeinsam und jeweils eigenverantwortlich sichern und nutzen dafür die Kompetenzen von allen Gesundheitsberufen. Denn die Ressource, an der es in der Gesundheitsversorgung am meisten mangelt, ist nicht Geld. Es sind die Menschen, die in unserem Land für die Gesundheit anderer arbeiten.
Dafür braucht es eine weitere Akademisierung der Gesundheits- und Pflegeberufe und damit verknüpft neue Berufsbilder und Berufsfelder. Ich werde nicht müde zu betonen: Wenn wir Pflege und Therapie nicht mehr als Assistenzberuf begreifen, wenn wir sie hingegen endlich als eigenständige Professionen anerkennen, basierend auf evidenzbasiertem Wissen, auf Augenhöhe mit der ärztlichen Heilkunde, dann können wir die Gesundheitsversorgung auf mehr tragende Schultern verteilen. Dann wirken wir dem Fachkräftemangel durch attraktive Karrierewege entgegen.
Was braucht es noch? Die Kommunen! Sie müssen eine tragende Rolle bei der Gestaltung einer gesunden Lebenswelt UND einer lebensweltnahen Gesundheitslandschaft spielen. Darin müssen wir als Land sie bestärken und deutlich einfordern, dass sie sich dem Thema Gesundheit gezielt widmen. Die in letzter Zeit geschaffenen Stellen kommunaler Gesundheitsmanager*innen in Sachsen-Anhalt sind da ein guter erster Schritt. Darauf aufbauend wollen wir Grünen kommunale Gesundheitskonferenzen befördern. Im besten Fall verbindlich geregelt im Gesetz über den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Solche Konferenzen sollen vor Ort Antworten dazu entwickeln, wie Gesundheitsförderung vor Ort bestmöglich umgesetzt werden kann. Von den Kitas bis zu den Pflegeheimen. Es geht darum, Public Health in Sachsen-Anhalt zu verankern.
Wenn ich von Public Health sprechen, meine ich die Perspektive, die Gesundheit der gesamten Bevölkerung in den Blick zu nehmen. Sozialräumlich und populationsbezogen Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, eine gesunde Lebensumgebung, zu entwickeln. Vor einiger Zeit wurde dieses Thema prominent verknüpft mit dem Konzept der Gesundheitskioske. Public Health setzt an den Ursachen von Krankheit und Gesundheit an – sei es bei Umweltfaktoren wie Luftqualität, Wasser- und Bodenreinheit, bei sozialen Lebensbedingungen oder im Bereich Prävention und Gesundheitsaufklärung. Ziel ist es, allen Menschen ein möglichst langes und gesundes Leben zu ermöglichen. Wir wollen gesundheitliche Chancengerechtigkeit. Und um diese steht es wahrlich nicht gut. Menschen aus den unteren Einkommensgruppen leben signifikant kürzer als Menschen mit besserem Einkommen. Das ist nicht naturgegeben, sondern liegt eben auch an Ungleichheiten beim Gesundheitswissen, an Barrieren zum Gesundheitssystem, an mehr oder weniger gesundheitsdienlichen Wohn- und Lebensverhältnissen. Also Faktoren die wir politisch bearbeiten und verändern können. Damit Gesundheit eben nicht am Geldbeutel hängt.
Wir sehen in Sachsen-Anhalt, wie der demografische Wandel fortschreitet, medizinisches Fachpersonal fehlt und Ungleichheiten in der Versorgung zunehmen. Eine nachhaltige und gerechte Gesundheitsversorgung bedeutet, präventiv zu handeln, Ressourcen sinnvoll einzusetzen und überall dort anzusetzen, wo Krankheiten entstehen, statt erst zu reagieren, wenn es schon zu spät ist.
Dafür haben wir mit der Landesvereinigung für Gesundheit und der Beratungsstelle für kommunale Quartiersentwicklung zwei hochqualifizierte Stellen im Land.
Dafür kann man auch über eine abschließende Evaluierung und Neuformulierung der Gesundheitsziele des Landes sprechen.
Also ja: für die Sicherung unserer Gesundheitsversorgung in Sachsen-Anhalt braucht es revolutionären, wenigstens reformerischen Mut. Aber kapitalismuskritisches Blaming einzelner Träger bringt uns an dieser Stelle keinen Schritt weiter. Statt dessen braucht es den Mut, die Dinge, Rollen, Verhältnisse und ja auch die Orte der Gesundheitsversorgung radikal zu verändern, damit diese Orte weiterhin Anlaufpunkte in allen Fragen der Gesundheit sein können. Wer den Menschen heute erzählt, alles würde so bleiben können, wie es vor 20 Jahren war, wenn man nur mehr Medizinstudienplätze schaffen würde, weniger Ausländer im Land wären oder die Regierung eine andere wäre, der hat die Herausforderungen in diesem Bereich nicht begriffen und nicht im Ansatz die Chancen, die darin stecken können, wenn wir ihnen mutig begegnen.
Danke.