Rede

Für eine starke Demokratiebildung – Rechtsextremismus an Schulen bekämpfen

Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wann haben Sie das erste Mal in Ihrem Leben ein Hakenkreuz gesehen? Wann haben Sie das erste Mal Naziparolen gehört? Wenn ich mich zurückerinnere, dann war das irgendwann in den 90ern und ich war 14,15 Jahre alt. Heutzutage werden Kinder und Jugendliche sehr früh mit Ausblühungen von Rechtsextremismus. In einer Grundschule in Haldensleben beispielsweise hat vor ein paar Jahren in einer zweiten Schulklasse eine Schülerin ein Hakenkreuz in den Schultisch geritzt. Die Klassenlehrerin war damals sichtlich überfordert. Es ist vollkommen klar, dass eine Sieben- oder Achtjährige keine manifesten Rechtsextemistin ist, aber wie bekommt man heraus, was da dahintersteckt? Und wie erklärt man den Kindern altersgerecht, dass das nicht okay ist? Die Lehrerin damals fühlte sich auf die Situation nicht vorbereitet. 

Und wir alle erinnern uns noch an die Zeiten, als Neonazis Rechtsrock-CDs auf Schulhöfen verteilt haben. Die heutige Version davon ist dann Herr Siegmund, der, wenn er nicht gerade bei einem Kaffeekränzchen mit Nazis in Potsdam ist, offenbar gerne direkt vor dem Schultor Wehrmacht-Propagandamaterialien an Schüler*innen in Tangermünde verteilt. Nachdem er eben diese Schüler*innen in der Woche zuvor noch beschimpft hatte auf einer Kundgebung. Und alles das natürlich schön für TikTok abfilmt. Sie sollten sich wirklich schämen. 

Und ein ganz aktuelles Beispiel ist die Verbrennung des Tagebuchs der Anne Frank durch Jugendliche in Aken. Ein Buch, was viele von uns sicherlich im Deutschunterricht gelesen haben. Ein Buch, welches an einem sehr nahegehenden Beispiel die Geschichte der Millionen jüdischen Opfer erzählt, die im Holocaust getötet wurden. Und das symbolhaft für das Leid, das Unrecht und die deutsche Schuld an der Schoah steht. Das war ein absolut abscheulicher Vorgang und ein erschreckender Akt von alltäglichem Antisemitismus. 

Ob wir es wollen oder nicht – Kinder und Jugendliche werden mit Rechtsextremismus und dem Nationalsozialismus auch in ihrem (Schul)Alltag konfrontiert.  Egal wie sehr wir es verhindern wollen. Sei es, weil Schüler*innen rechtsextremistische Parolen rufen, aufgrund von Schmierereien oder sonst wie. 

Schulen sind ein Spiegel unserer Gesellschaft. Schulen sind selbst kleine Gesellschaften. Und natürlich macht der ansteigende Antisemitismus und Rechtsextremismus, der sich immer weiter in die Mitte der Gesellschaft frisst, auch vor Ihnen keinen Halt. Wenn Parolen und Verhetzung Popkultur geworden sind, dann sind sie das auch und zuerst dort, wo junge Menschen sind. Dass das ein real wahrgenommenes Problem an Schulen ist, erfährt man, wenn man Schulen vor Ort besucht. Lehrkräfte erzählen, wie sich Vorfälle häufen, bei denen Kinder und Jugendliche auf dem Schulhof oder selbst im Unterricht Nazi-Parolen rufen. Wie sehr rechtsextremistische Schmierereien zunehmen. 

Alarmierend ist auch die gemeinsame Erklärung der ostdeutschen Schülervertretungen vom April dieses Jahres, die sehr deutlich benennen, dass völkische Narrative, antisemitische Verschwörungstheorien und extremistisches Gedankengut immer häufiger an Schulen vorkommen. Und dass aus ihrer Sicht die Schulen schlecht darauf vorbereitet sind. Es ist unsere Aufgabe als Politik, diese Warnungen und Forderungen der Schüler*innen und Lehrkräfte ernst zu nehmen. Wir können die Schulen dabei unterstützen, die Schüler*innen und Lehrkräfte vor Rechtsextremismus an Schulen zu schützen.

Und dabei kann man schon im Unterricht anfangen. Mit Blick auf den Rahmenlehrplan des Geschichtsunterrichts an weiterführenden Schulen, stellt man fest, dass das Thema Nationalsozialismus erst in der 9. Klasse unterrichtet wird. Das ist nicht nur  in Anbetracht der gesellschaftlichen Entwicklungen reichlich spät. Besonders, wenn die Schüler*innen die Schule mit der 10. Klasse abschließen. Es gibt keinen pädagogischen Grund, dieses Thema erst so spät in der Schulzeit zu besprechen. Bücher, Zeitzeugengespräche, Erfahrungsberichte – es gibt viele Materialien und pädagogische Ansätze, den Nationalsozialismus und die Schrecken des Holocoust frühzeitig altersgerecht und lehrfachübergreifend zu thematisieren.

Das Wissen darüber, was die Nazi-Parolen bedeuten, wofür das Hakenkreuz steht und warum es zurecht verboten ist. Das Wissen darüber, was es bedeutet für die Menschen, in einer Diktatur zu leben. Und das Wissen über die Opfer des
Nazi-Regimes. Ich bin mir sicher, dass das alleine schon die ein oder andere leichtfertig herausgerufene rechtsextremistische Parole oder Schmiererei verhindern könnte. 

Und wirklich essentiell ist, dass Demokratie bereits in der Schule erlebbar und erfahrbar wird. Echte Teilhabe für Schüler*innen, wirkliche Mitsprachemöglichkeiten – genau das müssen wir in der Schule ermöglichen. Denn nichts spricht so sehr für die Demokratie, nichts verkauft so sehr die Vorteile der Demokratie, wie diese selbst zu erleben. Nichts erzeugt begeistertere Demokrat:innen, als demokratische Selbstwirksamkeitserfahrung für unsere Schüler*innen.

Wie ich sie – sicherlich heute nicht mehr reproduzierbar – als Schülervertreterin in meiner Schule in den 90er Jahren erlebt habe. Wo wir als Schüler:innen unsere Schule kulturell gestalteten, ihr einen neuen Namen suchten und fanden und den Namen – Erich Fried – mit Leben füllten. Als wir, gemeinsam mit den Lehrerinnen und der Schulleitung, ein riesiges Schulfest an einem Sonnabend auf die Beine stellten. Damit die Republikaner nicht in unserer Schulaula einen Parteitag abhalten konnten, als im Keller unserer Schule zig Bands probten. Einige davon noch heute legendär und Klassenkameraden, die im leergelaufenen Lehrschwimmbad ein Kiezkino einrichteten.

Aber auch heute gilt: die beste Möglichkeit, sich an der Gestaltung der Schule zu beteiligen, ist die Mitarbeit in den Schülervertretungen. 

Für die Wirksamkeit einer Schülervertretung braucht es zu allererst die schulgesetzlichen Voraussetzungen dafür. Dafür fordern wir die  Einführung und schulgesetzliche Verankerung der Drittel-Parität in der Schulkonferenz. Hierbei geht es um die gleichberechtigte Teilnahme an der Schulkonferenz von Eltern, Schüler*innen, Lehrer*innen sowie die Mitwirkung der sonstigen Angestellten. 

Die Drittelparität sorgt für mehr Fairness und Gleichberechtigung. Sie stärkt das Stimmgewicht von Schülerinnen und Schülern sowie Erziehungsberechtigten. Das Schulleben kann auf diese Weise insgesamt demokratischer und partizipativer gestaltet werden.

Und gleichzeitig muss über das Schulgesetz ermöglicht werden, dass auch nicht-gewählte Schüler*innen sich in der Schülervertretung beteiligen können, egal wie die Form der Mitarbeit aussieht. Schließlich können hier in diesem Landesparlament auch die nicht als Politiker*innen gewählten Bürger*innen sich an der Gestaltung der Politik beteiligen, zum Beispiel über Petitionen. Warum sollte dies in der Schule nicht möglich sein? Eine gute demokratische Kultur in der Schule heißt auch Kommunikation auf Augenhöhe. Deswegen ist es wichtig, im Schulgesetz zu verankern, dass Schulleitungen die Ablehnung von Anträgen der Schülervertretung begründen müssen – und zwar schriftlich! 

Und last but not least haben wir ein tolles Schulnetzwerk in Sachsen-Anhalt. „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ist in ganz Deutschland das größte Schulnetzwerk und auch in Sachsen-Anhalt äußerst erfolgreich. „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ist ein Leuchtturmprojekt für Demokratiebildung in Schule. Beginnend damit, dass es ein zutiefst demokratischer Prozess ist, in dem sich Schulen entscheiden, an diesem Programm teilzunehmen. Drei Viertel aller Menschen in der Schule – Schülerinnen und Lehrkörper, müssen für die Mitgliedschaft in dem Schulnetzwerk stimmen – erst dann kann das Projekt starten. 

„Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ kann Schulkultur und Schulalltag gestalten. Über von Schüler*innen organisierte Ausstellungen zu den Müttern und Vätern des Grundgesetzes bis hin zu selbst organisierten Projektthementagen. Schulen, die Teil des Netzwerks sind, berichten, was für ein Gewinn es für sie ist. 

Doch so großartig die Arbeit des Schulnetzwerks „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ist, sie sind in Sachsen-Anhalt unterfinanziert. Das muss man so nüchtern feststellen. Frau Bildungsministerin Feußner, beim Landestag “Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage” haben sie ihr Wohlwollen und ihre Wertschätzung für das Schulnetzwerk ausgedrückt. Wir fordern Sie auf, lassen Sie diesen Worten Taten folgen und zeigen Sie auch bei der Aufstellung des Bildungshaushalts Ihr Wohlwollen für „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Wir sind uns doch einig, dass es ein tolles und gewinnbringendes Projekt für unsere Schulen ist. 

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Abgeordnete,

der zunehmende Rechtsextremismus in der Gesellschaft macht auch vor unseren Schulen keinen Halt. Deswegen ist unsere Pflicht als Demokrat*innen hinzusehen, zuzuhören und Demokratiebildung zu stärken. „Früh übt sich“ gilt auch für unsere Demokratie. Lassen Sie es uns gemeinsam anpacken und den Schulen das notwendige Handwerkzeug an die Hand geben.

Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.