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Für die moderne Schule von morgen: Die Lehramtsausbildung in Sachsen-Anhalt neu strukturieren

Sehr geehrte Damen und Herren,

Etwa 1000 junge Menschen entscheiden sich jedes Jahr in Sachsen-Anhalt zu einem Lehramtsstudium. Aber sie müssen sich in unserem Bundesland nicht nur entscheiden, Lehrerin werden zu wollen, sondern auch, was für eine. Junge Menschen mit frischem Abitur in der Tasche, die meisten von ihnen haben in ihrer eigenen Bildungsbiografie nur die Grundschule und das Gymnasium erlebt. Vor Beginn des Studiums vor die Wahl gestellt, erscheint der Weg ans Gymnasium natürlich vertrauter, sicherer und attraktiver. Die meisten von ihnen entscheiden sich für diesen Weg, und daran ist an sich ja nichts verkehrt. Aber diese frühe Wahl muss nicht sein! Und sie ist nicht nur unnötig, sie raubt den jungen Studentinnen, den Schulen in Sachsen-Anhalt und damit uns allen Flexibilität und Möglichkeiten. Lehrerinnen unterrichten Schülerinnen und keine Schulformen! Und deswegen ist es unsinnig, dass die Lehrkräfteausbildung anhand der Schulformen strukturiert ist. Stattdessen streiten wir mit unserem Antrag dafür, dass die Ausbildung der Lehrerinnen sich an den Bedürfnissen derer orientiert, die im Mittelpunkt unseres Schulsystems stehen. Den Bedürfnissen der Schülerinnen. Und deswegen fordern wir mit unserem Antrag, dass statt einer schulformbezogenen Ausbildung das Lehramtsstudium in Sachsen-Anhalt zu einer schulSTUFENbezogenen Ausbildung umstrukturiert wird. Also es sich, statt nach den Schulformen nach den Ausbildungsstufen in der Schule richtet. 

Wenn sich angehende Lehrerinnen in unserem Land zu Beginn des Studiums entscheiden müssen, ob sie das Lehramt für die Grundschule, Förderschule, Sekundarschule oder das Gymnasium studieren, finden auch die Schulpraktika, die sie während des Studiums absolvieren, um erste Praxiserfahrungen als zukünftige Lehrerin zu sammeln, in den Schulformen statt, die sie sich für ihr Studium ausgesucht haben. Erfahrungen in anderen Schulformen, die diese als zukünftigen Arbeitsort attraktiver machen könnten, oder manchmal einfach Berührungsängste verringern und das Arbeiten, zum Beispiel in einer Sekundarschule, überhaupt erst vorstellbar machen, finden beim schulformbezogenen Lehramtsstudium garnicht statt. Dabei sind es gerade diese Schulen, Sekundarschulen, Gemeinschaftsschulen, Grundschulen, die in unserem Land am Allernötigsten Verstärkung brauchen. Das Stufenlehramt schafft an dieser Stelle mehr Erfahrungen in der Ausbildung und mehr Flexibilität nach dem Abschluss. Das ist gut für Schülerinnen, Sachsen-Anhalt und Lehrkräfte.

Wenn wir in Sachsen-Anhalt die Lehrkräfteausbildung hin zum Stufenlehramt weiterentwickeln, dann bietet dies viele Chancen im Kampf gegen den Lehrkräftemangel. Besonders an den Schulformen, an denen Lehrerinnen am meisten gebraucht werden – wie Gemeinschaftsschulen und Sekundarschulen. Denn das Stufenlehramt ermöglicht es den Studierenden im Laufe des Studiums zu entscheiden, an welcher Schulform sie später unterrichten möchten. Sie können gemeinsame Praxisphasen absolvieren, die die Möglichkeit bieten, die Angst und Vorbehalte vor dem Unterrichten an Sekundarschulen und Gemeinschaftsschulen zu nehmen.  

Und auch für unsere Schülerinnen ist es sinnvoll, das Stufenlehramt in Sachsen-Anhalt einzuführen. Denn wir wollen, dass ALLE Schülerinnen unseres Bundeslandes die individuell bestmögliche Bildung erhalten. Wenn angehende Lehrkräfte für den Umgang mit unterschiedlichen Kompetenzprofilen ausgebildet werden, sich allein auf das Altersprofil der Schülerinnen spezialisieren, und nicht mehr auf Schulformen, dann kann Binnendifferenzierung in allen Schulformen viel besser gelingen, können die Kinder und Jugendlichen an allen unseren Schulen besser individuell gefördert werden. Auch für mehr Inklusion an unseren Schulen, der wir nach der EU-Behindertenrechtskonvention verpflichtet sind und die wir seit Jahren versäumen, wäre die Reform der Lehrkräfteausbildung hin zum Stufenlehramt ein wichtiger Schritt. Dann nämlich, wenn im Stufenlehramtsstudium die Sonderpädagogik zu einer von mehreren möglichen Spezialisierungen wird. Wenn wir die exkludierende Beschulung endlich weitestgehend überwinden wollen – wozu wir uns verpflichtet haben – dann müssen wir mit der Überwindung der exkludierenden Lehramtsausbildung beginnen! 

Auch die Realität des Schulalltags zeigt, warum das Stufenlehramt der richtige Schritt in der Neustrukturierung der Lehrkräfteausbildung ist: Denn schon jetzt müssen Lehrerinnen aufgrund des Lehrkräftemangels durch Abordnungen an andere Schulen schulformübergreifend unterrichten. Und Arbeitsbiografien sind heute oft weit weniger linear, als noch vor Jahren. Menschen wechseln aus unterschiedlichsten Gründen ihre Arbeitsstellen- und Orte, auch Lehrerinnen. Angesichts dessen ist es die logische Konsequenz, dass die Ausbildung von Lehrerinnen in Zeiten des anhaltenden Lehrkräftemangels an den flexibleren Einsatz in und zwischen den Schulen angepasst wird.

Für die beiden Universitäten in unserem Bundesland, an denen die Lehrkräfteausbildung stattfindet, wäre die Neustrukturierung des Lehramtsstudiums zum Stufenlehramt kein Problem. Denn schon jetzt überschneiden sich insbesondere die Lehrämter für das Gymnasium und die Sekundarschule schon stark in der Ausbildung. Und insbesondere die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, an der der Großteil der Lehrkräfteausbildung in unserem Bundesland stattfindet, hat mehrmals in verschiedenen Formaten zum Ausdruck gebracht, dass sie sich die Reform des Lehramtsstudiums wünscht und diese zügig umsetzen könnte. Und da es verschiedene Möglichkeiten gibt, das Stufenlehramt an den beiden Universitäten  unseres Landes umzusetzen, plädieren wir dafür den Unis den Auftrag zu erteilen, zu prüfen wie und in welcher Weise sie diese Reform der Lehrkräfteausbildung am besten umsetzen können.

Das Einzige, was gerade fehlt, damit das Stufenlehramt in unserem Bundesland eingeführt wird, ist der politische Wille der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen. Und ja, Veränderung braucht Mut. Vor allem wenn es darum geht, alte Strukturen neu zu denken. Und für nachhaltige Veränderungen müssen wir langfristig denken. Und aufhören, immer nur von Legislatur zu Legislatur zu denken. Das trifft besonders auf unser Schulsystem und auch auf die Lehrkräfteausbildung zu. Es macht langfristig Sinn, die Lehrkräfteausbildung den Herausforderungen der Zukunft anzupassen. Und vor allem macht es Sinn, die Bedürfnisse unserer Schülerinnen in den Mittelpunkt der Lehramtsausbildung zu stellen. 

Wir Bündnisgrüne haben den Mut, die notwendigen Veränderungen zu fordern. Wir wollen, dass bei der Bildungspolitik unseres Bundeslandes über den dauerhaften Krisenmodus des Lehrkräftemangels hinausgedacht wird. Wir wollen, dass die Bildungspolitik langfristiger geplant wird, als nur bis zur nächsten Landtagswahl. 

Und wir kämpfen für die Schule von morgen. Für Schulen, an denen alle Schülerinnen in Sachsen-Anhalt die bestmögliche Bildung erhalten, egal aus welchem sozialen Umfeld sie kommen, egal welche finanzielle Mittel ihre Eltern haben.  Und um das zu erreichen muss auch die Lehrkräfteausbildung neu strukturiert werden. Die Einführung des Stufenlehramts, also des schulstufenbezogenen Lehramts, ist ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg, die Schule von morgen zu ermöglichen.

Deswegen liebe Kolleginnen der demokratischen Fraktionen, haben Sie mit uns Bündnisgrünen den Mut, gemeinsam die Veränderung zu gestalten. Stimmen Sie unserem Antrag zur
Umstrukturierung der Lehrkräfteausbildung hin zum Stufenlehramtsstudium zu. 

Vielen Dank.