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Pflegeausbildung modernisieren – Fachkräfte von morgen stärken

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Sehr geehrte Damen und Herren,

wir sprechen heute über eines der zentralen Zukunftsthemen unseres Landes: die Sicherstellung einer guten und nachhaltigen pflegerischen Versorgung. Alle Prognosen zeigen – und die Praxis bestätigt es täglich: Der Fachkräftemangel in der Pflege ist längst keine drohende Entwicklung mehr, sondern harte Realität. Wie es die Bundesagentur für Arbeit in ihrem Arbeitsmarktbericht von Mai diesen Jahres für die Pflege feststellt: 

„Nahezu alle Indikatoren der Engpassanalyse weisen auf deutliche bestehende Fachkräfteengpässe hin.“  Eine Relation zeigt dies sehr deutlich: Im Jahresdurchschnitt 2023 waren 278 Pflegefachkräfte arbeitslos gemeldet. Im gleichen Zeitraum wurden den Arbeitsagenturen über 500 offene Stellen für Pflegefachkräfte gemeldet. 

Der steigende Fachkräftebedarf ist leicht erklärbar. Die Zahl der Pflegebedürftigen in Sachsen-Anhalt hat sich in den letzten 10 Jahren verdreifacht. Zwar haben wir auch im Bereich der Beschäftigten einen enormen Aufwuchs: Zwischen 2013 und 2023 hat sich deren Zahl um 31% erhöht.  Ca. 54.000 Pflegekräfte waren Stand Dezember 2023 im Land in der ambulanten wie stationären Pflege und in Krankenhäusern beschäftigt. Auch die Ausbildungszahlen nehmen zu. Im Juni 2023 haben sich fast 5.000 junge Menschen zu Pflegefachkräften ausbilden lassen. Die Anzahl der Nachwuchskräfte ist in den letzten 5 Jahren um fast 1.600 gestiegen. Das bedeutet eine Steigerung um 46 Prozent. 

Eine tolle Entwicklung meiner Profession. Aber das reicht halt trotz allem nicht. Die große Zahl an Renteneintritte in den nächsten Jahren – jede 10. Fachkraft ist über 60 Jahre alt – und die weitere Zunahme an Pflegebedürftigen, erzeugt einen enormen Bedarf an neuen Fachkräften. 

Gute Ausbildungsbedingungen sind damit das A und O für die Gewinnung der Fachkräfte von morgen.  Denn Gute Pflege beginnt nicht erst am Bett der Patientinnen und Patienten. Gute Pflege beginnt mit einer guten Ausbildung. Und genau hier hat Sachsen-Anhalt dringenden Handlungsbedarf.

Mit unserem Antrag wollen wir die Rahmenbedingungen der Pflegeausbildung modernisieren, attraktiver machen und qualitativ stärken. Denn eine zukunftsfeste Pflege gibt es nur mit Menschen, die sich bewusst und motiviert für diesen Beruf entscheiden und dann auch Ausbildungsbedingungen vorfinden, die ihnen Erfolg ermöglichen, statt Steine in den Weg zu legen. Es braucht ein ganzes Bündel von Maßnahmen:

1. Flexibler Ausbildungsbeginn – weil das System zur Lebensrealität passen muss. Derzeit können Pflegeausbildungen in Sachsen-Anhalt, anders als in anderen Bundesländern, zu drei Zeitpunkten begonnen werden. Das führt zu Stoßzeiten in den Praxiseinsätzen und zu Organisationsproblemen in den Einrichtungen. Schwierigkeiten, die in anderen Bundesländern nicht auftreten und in Sachsen-Anhalt den Pflegeschulen das Arbeiten schwer machen.

Wir schlagen deshalb vor: Der Ausbildungsstart soll künftig zu jedem Monatsbeginn möglich sein. Das bedeutet nicht, dass jede Pflegeschule das genau so anbieten muss, aber dass der gesetzliche Rahmen es offen lässt, wie die Schulen sich zeitlich organisieren möchten. Das schafft Flexibilität bei den Ausbildungsanbietern, und ermöglicht Abstimmungen untereinander, um Überlastungen bei den Praxis-Einsatzorten zu verhindern. Das löst den Engpass bei den besonders schwer zu organisierenden Pflichteinsätzen in bestimmten Fachgebieten. 

2. Mehr Vielfalt in der Praxis – weil Pflege vielfäliger ist als Klinik, Ambulante Pflege und Altenheim. Wir wollen auch Rehabilitationskliniken und Hospize als Praxislernorte anerkennen. Auch dort findet täglich hochqualifizierte Pflege statt. Eine moderne Pflegeausbildung muss das ganze pflegerische Spektrum abbilden. Das erleichtert ausserdem die Einsatzplanung für die praktische Ausbildung und erweitert den beruflichen Horizont der Auszubildenden.

3. Faire Finanzierung. Die Träger der praktischen Ausbildung sorgen für einen erheblichen Wertschöpfungsanteil im System,  aber genau das wird bisher unzureichend berücksichtigt. Wir fordern daher: eine faire Finanzierung, eine vollständige Anerkennung der Ausbildungsleistungen und vor allem: die Streichung der Umlagefähigkeit von Ausbildungskosten auf Bewohnerinnen und Bewohner. Pflegebedürftige dürfen nicht für die Ausbildungskosten herangezogen werden. Ausbildungskosten sind aus den Eigenanteilen der Betroffenen herauszunehmen. 

4. Teilzeitausbildung stärken – weil Pflege Menschen braucht, die mitten im Leben stehen. Professionelle Pflege wird oft in mehreren Stufen erlernt, von der Helfer:innen-Ausbildung zur Fachkraft. Viele potenzielle Auszubildende – insbesondere diie schon erwachseneren Frauen – scheuen dann die Ausbildung, weil sie nicht Vollzeit möglich ist oder schlecht planbar bleibt.

Wir wollen deshalb die Teilzeitausbildung ausbauen. Das eröffnet neue Zugänge für Menschen mit familiären Verpflichtungen und hilft uns, zusätzliche Fachkräfte zu gewinnen.

5. Bürokratie abbauen – damit mehr Zeit für echte Ausbildung bleibt. Pflegeeinrichtungen und Schulen klagen zurecht über überbordende Dokumentationspflichten. Vieles davon ist gut gemeint, aber schlecht gemacht. Wir fordern die Landesregierung auf, Bürokratie spürbar zu reduzieren und die Dokumentation auf das notwendige Maß zu begrenzen. Das entlastet die Einrichtungen und erhöht die Ausbildungsqualität.

6. Gute Curricula für die Praxisausbildung – weil sie zentral ist. Die neue Pflegeausbildung legt mehr Lehrverantwortung in die Lernorte Praxis. Doch dafür fehlen klare und einheitliche Vorgaben. Wir setzen uns deshalb ein für standardisierte Curricula, die Ausbildungsqualität in der Praxis sichern, Vergleichbarkeit schaffen und Auszubildenden in allen Regionen des Landes faire Bedingungen bieten.

7. Bundesweite Einheitlichkeit. Die Praxis zeigt: Zwischen den Bundesländern gibt es immer noch große Unterschiede in der Pflegeausbildung. Das erschwert Wechselmöglichkeiten und führt zu Ungleichbehandlungen. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für eine Vereinheitlichung der Ausbildung starkzumachen.

8. Schulsozialarbeit für Pflegeschulen – weil soziale Unterstützung nicht Luxus ist. Auszubildende in der Pflege stehen unter erheblichem Druck, emotional, organisatorisch und persönlich. Sie sind von Beginn der Ausbildung an mit den Grenzbereichen des Lebens konfrontiert: Geburt, Krankheit, Schmerzen, Leiden, glückliche Genesung und Tod. Dazu kommen Lerndruck, Schichtarbeit und körperliche Belastung. Gerade für junge Pflegende mit gerade noch reifender Persönlichkeit kann das herausfordernd sein. Trotzdem haben Pflegeschulen meist keine Schulsozialarbeit. Das wollen wir ändern: Schulsozialarbeit muss Teil der Landesfinanzierung für die Pflegeausbildung werden. Sie stärkt die Ausbildungswege, verhindert Abbrüche und hilft jungen Menschen in schwierigen Situationen.

9. Ein Runder Tisch Pflegeausbildung, weil die besten Lösungen gemeinsam entstehen. Wir wollen einen dauerhaften Austausch: mit Pflegeschulen, Praxispartnern, Trägern und – ganz wichtig – mit Auszubildenden selbst.

Ein Runder Tisch Pflegeausbildung soll kontinuierlich Verbesserungsbedarfe identifizieren und Lösungen entwickeln, nicht erst dann, wenn Probleme eskalieren.

Mir ist bewusst, es braucht weitere Ansätze, um den Personalbedarf in der Pflege zukünftig zu decken. Ohne die Anwerbung ausländischer Fachkräfte, ohne eine Erhöhung des Vollzeitanteils, ohne Verbesserungen der Arbeitsbedingungen um den Verbleib in der Pflege zu steigern und ohne den Ausbau der Möglichkeit von Quereinstiegen werden wir die Herausforderungen in der Pflege nicht gewappnet sein. 

Dieser Antrag ist keine eierlegende Wollmilchsau. Kein Rundumschlag. Sondern er formuliert gezielte, konkrete und vor allem umsetzbare Maßnahmen, um die reguläre Pflegeausbildung noch besser zu machen. Das sind Maßnahmen, die die Träger der Pflege-Ausbildung sich wünschen, um die Pflege in Sachsen-Anhalt weiter und besser sichern zu können. Zeigen wir gemeinsam, dass wir die Herausforderung ernst nehmen. 

Danke.