Zusammenfassung:
Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit – sie entsteht im Alltag, im sozialen Miteinander, in Kitas, Apotheken, Sportvereinen und Nachbarschaften. Doch Sachsen-Anhalt verschenkt enormes Potenzial, weil es an verbindlichen Strukturen zur Gesundheitsförderung fehlt. Wir Grüne fordern daher die gesetzliche Verankerung kommunaler Gesundheitskonferenzen. Diese schaffen echte Netzwerke vor Ort, bündeln Wissen, fördern Prävention und verbessern die Versorgung – insbesondere in strukturschwachen Regionen. Erfolgreiche Beispiele aus NRW, Bayern und Skandinavien zeigen, wie sektorübergreifende Zusammenarbeit wirkt.
Gesundheitskonferenzen stärken Gesundheitskompetenz, vermeiden Doppelstrukturen, sparen Kosten und bauen Ungleichheiten ab. In Sachsen-Anhalt gibt es bislang nur vereinzelte Ansätze – das reicht nicht. Wir brauchen eine gesetzliche Grundlage, verlässliche Finanzierung und eine Weiterentwicklung der Landesgesundheitskonferenz zu einer echten Steuerungsplattform. Prävention ist günstiger als Behandlung, Vernetzung besser als Vereinzelung. Deshalb wollen wir Gesundheitsförderung endlich strukturell denken – für mehr Gerechtigkeit, mehr Lebensqualität und mehr gesunde Jahre in Sachsen-Anhalt.
Sehr geehrte Damen und Herren,
was ist Ihnen wichtig im Leben? Was braucht es, damit Menschen ein gutes Leben führen können? Wenn wir Bürgerinnen und Bürger danach fragen, dann steht ein Thema fast immer ganz oben: die Gesundheit. Sie ist Grundvoraussetzung für ein selbstbestimmtes, erfülltes Leben. Und sie ist weit mehr als die Abwesenheit von Krankheit.
Unser Antrag zielt auf genau dieses Wesentliche: Wir wollen die Bedingungen für Gesundheit in Sachsen-Anhalt verbessern. Wir wollen Strukturen schaffen, die nicht bei der Behandlung von Krankheiten ansetzen, sondern Gesundheit in allen Lebensbereichen fördern. Umwelt, Bildung, Arbeit und soziale Räume – all das entscheidet mit über Gesundheit. Das ist Kern des Public-Health-Ansatzes: Gesundheit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Und weil sie gesamtgesellschaftlich ist, brauchen wir Orte, an denen alle Beteiligten zusammenkommen: Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte, Krankenkassen, Kommunen, Vereine, Selbsthilfegruppen, die Zivilgesellschaft. Orte, an denen Wissen, Erfahrungen und Ideen gebündelt werden. Diese Orte sind kommunale Gesundheitskonferenzen.
Gesundheitskonferenzen erfüllen drei wesentliche Funktionen:
- Sie vernetzen Akteure über Sektorengrenzen hinweg.
- Sie steuern – indem sie regionale Bedarfe erheben, Prioritäten setzen und Maßnahmen koordinieren.
- Sie wirken – durch konkrete Projekte, durch Vertrauen zwischen Institutionen und durch die Fähigkeit, Verantwortung gemeinsam zu tragen.
Technisch gesprochen sind sie Instrumente guter Governance und erfüllen eine Mehr-Ebenen-Steuerung. Praktisch gesprochen sind sie Tische, an denen endlich alle sitzen, die sonst nebeneinanderher arbeiten.
Andere Bundesländer haben uns den Weg gewiesen. In Nordrhein-Westfalen sind regionale Gesundheitskonferenzen seit über 20 Jahren gesetzlich verankert. Alle 54 Kreise und kreisfreien Städte führen sie durch. Die Konferenzen erarbeiten Gesundheitsziele, initiieren Projekte zur Prävention von Kinderübergewicht, zur Seniorengesundheit oder zur besseren Versorgung im ländlichen Raum. Eine Begleitforschung hat gezeigt: Sie verbessern Informationsflüsse, schaffen Vertrauen zwischen Ärzten, Kassen und Kommunen und setzen wichtige Impulse für die Versorgungsgestaltung.
In Bayern wurden kommunale Gesundheitskonferenzen zunächst in Modellprojekten erprobt und wissenschaftlich evaluiert. Das Ergebnis war eindeutig: Die Zusammenarbeit hat sich intensiviert, das Vertrauen unter den Akteuren ist gewachsen, gemeinsame Projekte wurden leichter möglich. Langfristig, so die Wissenschaft, tragen solche Strukturen zu besserer Versorgung und Gesundheit bei. Aus diesen Erfahrungen entstand das erfolgreiche Programm „Gesundheitsregionen plus“. Ende 2024 hat Bayern diese Strukturen enenfalls gesetzlich verankert.
Die Lehre daraus ist klar: Gesundheitskonferenzen entfalten ihre Wirkung, wenn sie rechtlich abgesichert sind und über eine verlässliche Geschäftsführung verfügen. Wo sie nur als lose Runde existieren, bleiben sie anfällig und kurzlebig.
Auch international gilt: Regionale Gesundheitsnetzwerke machen den Unterschied. In der Schweiz, in Österreich und in skandinavischen Ländern haben vergleichbare Modelle gezeigt, dass sektorübergreifende Kooperation Gesundheitskompetenz stärkt und Prävention wirksamer macht.
Wir müssen diesen Ansatz auch in Sachsen-Anhalt stärken. Wir in Sachsen-Anhalt und in Gesamtdeutschland sind in Sachen Gesundheitsförderung, Public Health und Prävention einfach noch nicht gut aufgestellt. Eine aktuelle Studie zeigt: Deutsche in den Grenzregionen zu West- und Südwesteuropa haben eine niedrigere Lebenserwartung als ihre Nachbarn, wobei Männer in Deutschland im Schnitt um 2,2 Jahre kürzer leben als etwa Schweizer, und auch an den Grenzen zu den Niederlanden, Frankreich und Dänemark sind die Unterschiede signifikant. Ein klarer Hinweis auf den starken Einfluss nationaler Rahmenbedingungen auf die regionale Sterblichkeit. Die Autor*innen der Studie vermuten die Gründe für diese Unterschiede eben in mangelnder Gesundheitsförderung in Deutschland. Einem Hierzulande zu starken Fokus auf Krankenbehandlung, anstatt die Bedingungen für Gesundheit in den Blick zu nehmen und zu verbessern. Diesen Blick – fachlich gesagt: die Salutogenese wollen wir mit Gesundheitskonferenzen im Land entwickeln.
Gesundheitskonferenzen sind dabei keine abstrakten Verwaltungsrunden, sie sind konkret.
Der Hausarzt erfährt in der Konferenz, dass es in der Tagespflege um die Ecke Kurse für Gedächtnistrainings gibt. So kann er Patientinnen und Patienten mit ersten kognitiven Einschränkungen weiterverweisen.
Die örtliche Apotheke erfährt von einer Selbsthilfegruppe für Lungenerkrankte und kann aktiv Informationsabende bewerben.
Die Kita bekommt Impulse, wie gesunde Ernährung und Bewegung spielerisch im Alltag integriert werden können – gemeinsam mit Sportvereinen aus dem Stadtteil.
In anderer Konstellation versammeln sich dann Hausarzt, Apotheke, Kita, Sportverein zum Beispiel unter dem gemeinsamen Ziel die Herzgesundheit zu stärken und entwickeln gemeinsame Projekte, Informationsmaterialien und Veranstaltungen.
So entstehen kurze Wege, praktischer Nutzen und Vertrauen in die Gesundheitsakteure vor Ort.
Wenn Gesundheitskonferenzen mit guter Ausstattung und politischem Rückhalt arbeiten, entfalten sie Wirkung auf mehreren Ebenen:
- Koordinierte Prävention: Projekte werden abgestimmt, Doppelstrukturen vermieden.
- Effizienzgewinne: Ressourcen werden geteilt, Synergien genutzt.
- Gesundheitskompetenz: Bürgerinnen und Bürger sehen, dass Akteure gemeinsam handeln, und wissen besser, wohin sie sich wenden können.
- Gerechtigkeit: Strukturschwache Regionen werden gezielt unterstützt und Gesundheitsungleichheiten können abgebaut werden.
Auch wenn wissenschaftliche Evaluationen zeigen, dass harte Gesundheits-Outcomes schwer kurzfristig messbar sind – so ist die Richtung doch eindeutig: Vernetzung verbessert Versorgung. Und Prävention ist immer günstiger als Behandlung.
Und wie sieht es bei uns aus? In Sachsen-Anhalt existieren bisher nur vereinzelte Ansätze für solche Konferenzen. Verdienstvolle Initiativen, aber ohne rechtlichen Rahmen und ohne Verbindlichkeit. Damit verschenken wir Potenzial.
Wir brauchen eine klare landesgesetzliche Grundlage. So wie wir sie längst bei Gemeindepsychiatrischen Verbünden kennen. Ein verbindlicher Rahmen, der kommunale Gesundheitskonferenzen definiert, Standards benennt und deren Finanzierung garantiert, um ihre Arbeit dauerhaft abzusichern.
Genau das wollen wir mit unserem Antrag erreichen. Wir fordern die Landesregierung auf, einen Arbeitsprozess zu starten, der in eine gesetzliche Vorlage mündet.
Gleichzeitig wollen wir die Landesgesundheitskonferenz weiterentwickeln: Bislang ist sie vor allem ein Fachtag, der einmal im Jahr stattfindet. Das ist zu wenig, sie könnte viel mehr! Die Landesgesundheitskonferenz soll zur Plattform werden, die regionale Erfahrungen bündelt, die kommunale Gesundheitsziele mit landesweiten Strategien verbindet – ein kontinuierlicher Prozess statt einer Einzelveranstaltung.
Gesundheit ist keine Privatsache. Sie ist das Ergebnis unserer sozialen, ökonomischen und ökologischen Lebensbedingungen. Deshalb ist Gesundheitspolitik Gesellschaftspolitik. Sie lebt von Kooperation, von Solidarität und von der Bereitschaft, Verantwortung gemeinsam zu übernehmen. Gesundheitskonferenzen sind das Instrument, um diese Haltung in Strukturen zu gießen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Gesundheit entsteht nicht im Behandlungszimmer allein. Sie entsteht in der Kita und im Pflegeheim, in der Apotheke und im Sportverein, in der Kommune und in der Nachbarschaft. Wenn wir diese Kräfte zusammenbringen, dann schaffen wir die Grundlage für ein gesundes Leben in allen Regionen unseres Landes.
Danke.