Sehr geehrte Damen und Herren,
Die UN-Behindertenrechtskonvention ist seit etwa 16 Jahren geltendes Recht in Deutschland. Sie ist der strahlende völkerrechtliche Endpunkt einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung, die in Deutschland Ende der 60er Jahre mit der so genannten „Krüppelbewegung“ ihren Anfang nahm. Die anfängliche Vernetzung und Solidarisierung von Betroffenen und Angehörigen. Von Menschen, die tagtäglich an Barrieren stießen. Die noch die inhumane und verbrecherische Euthanasiepolitik der Nazis direkt im Rücken hatten. Ihr Engagement, ihr Kampf um Anerkennung, um Sichtbarkeit, um Teilhabe fand seinen krönenden Abschluss in der Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention.
Damit verpflichtet sich unsere Gesellschaft und die Staaten dieser Erde eine inklusive Gesellschaft zu schaffen. Also ein Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung zu befördern. Eine Gesellschaft ohne Sonderräume. Ohne Separierung. Ohne Enklaven, wo Menschen mit Beeinträchtigungen unter sich bleiben und bleiben müssen. Eine Gesellschaft in der jede und jeder anders normal ist. Die erkannt hat: behindert ist man nicht, behindert wird man.
Dies in den gesellschaftlichen Institutionen und Strukturen einzubauen und quasi in die Köpfe der Menschen zu bekommen, das ist kein Spaziergang. Gelingt nicht über Nacht. Und ist auch trotz des gemeinsamen Ziels von Politik, Betroffenen und Leistungserbringern überaus konfliktiv. Die Situation zum Landesrahmenvertrag zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes im Land zeugt davon.
Aber wenn man den Geist der UN-Behindertenrechtskonvention wirklich in der Gesellschaft verankert wissen möchte, dann muss man sich leider doch sehr darüber wundern, dass Förderschulen und Werkstätten in Deutschland auch heute im Jahr 2025 weiterhin derart selbstverständlich der Regelfall sind.
Leider erschöpft sich die Beschlussempfehlung der Koalition einzig auf einen Verweis auf bestehende Aktivitäten, Programme und Förderungen des Landes in Sachen inklusive Gesellschaft. Natürlich sind im entsprechenden Landesaktionsplan viele sinnvolle Maßnahmen beschrieben, natürlich leistet die unabhängige Teilhabeberatung viel um vor Ort ganz konkret Menschen bei ihrem Recht auf Teilhabe zu unterstützen. Aber kann und darf das wirklich alles sein? War und ist nach 16 Jahren nicht mehr drin? Ist das schon das Optimum? // Ich glaube nicht. Neben der Riesenbaustelle der schulischen Inklusion ist das Hauptproblem meines Erachtens, dass Inklusion noch zu oft als Sonderthema eines Referats im Sozialministerium verstanden wird und nicht als Querschnittsaufgabe aller Häuser. Solange das so ist, wird Deutschland weiterhin regelmäßig gerügt werden vom entsprechenden Fachausschuss der UN. Ihre BE wird daran erstmal nichts ändern.