Rede

Arbeit lohnt sich – Bürgergeld muss trotzdem Würde sichern

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Sehr geehrte Damen und Herren,

ich hoffe wirklich diese leidige Debatte, ob sich Arbeit in Deutschland überhaupt lohnt, mit all ihren populistischen Behauptungen und unwahren Zuschreibungen, hat mit der entsprechenden Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung „Lohnt sich Arbeit in Deutschland noch?“ ein Ende. Ich hoffe wirklich, dass sich diese Debatte nun endlich versachlicht. Denn die eindeutige Antwort der Studie ist: Ja. Ja, Arbeit lohnt sich. Was informierte Stimmen bisher in dieser Debatte schon immer betont haben, kann man jetzt noch einmal schwarz auf weiß nachlesen: Wer arbeitet, hat mehr Geld in der Tasche als Beziehende vom Bürgergeld. Natürlich schwankt dieser Unterschied von Region zu Region. Bei überhitzten Wohnungsmärkten wie in München fällt dieser Unterschied geringer aus, weil dann auch die angemessenen Wohnkosten vor Ort eben relativ hoch liegen und damit der Gesamtregelsatz der Person höher ausfällt, als wenn diese bei uns in der Altmark wohnen würde. Aber trotz dieser regionalen Unterschiede: Rein monetär lohnt sich Arbeit. Das Lohnabstandsgebot gilt. Ausnahmslos. Ob Alleinstehend, Alleinerziehend oder als Familie. 

Auch dem Mindestlohn sei Dank. Staatlicherseits hat der Mindestlohn Auswüchse des Niedriglohnsektors zurechtgestutzt. Dass sich Arbeit lohnt, ist auch ein politischer Verdienst und muss politisch garantiert werden. Geschäftsmodelle, die auf Hungerlöhnen basieren, sind schlicht sittenwidrig. Wenn sich eine Geschäftsidee nur mit Ausbeutung trägt, dann ist es eben keine wirkliche Geschäftsidee. 

Also trotz aller Unkenrufe: das Leistungsprinzip gilt in Deutschland. Soweit so gut. Aber – es ist teuer erkauft.

Die Studie der Initiative Sanktionsfrei zum Bürgergeld, durchgeführt Anfang 2025 mit 1.014 Befragten zeigt nämlich eine  überaus prekäre Lebenswirklichkeit im Bürgergeldbezug: Der aktuelle Regelsatz von 563 Euro monatlich reicht laut 72% der Befragten nicht aus, um ein würdevolles Leben zu führen. Viele können Grundbedürfnisse wie gesunde Ernährung nicht angemessen erfüllen. Besonders Eltern verzichten oft zugunsten ihrer Kinder auf Essen. 54% der Eltern verzichten auf Nachschlag oder gleich eine ganze Mahlzeit, weil es nur für die Kinder reicht. 

Scham und Ängste im Zusammenhang mit dem Bürgergeld sind weit verbreitet: 42% der Betroffenen schämen sich für den Bezug und viele haben Angst vor weiteren Verschärfungen und dem gesellschaftlichen Stigma. 

 28% der Befragten müssen sich verschulden, um den Alltag zu bewältigen. Und was man auch wissen muss: jeder achte Haushalt, der Bürgergeld bezieht, finanziert seine Miete teils aus dem Regelsatz, weil die Kosten der Unterkunft nicht vollständig vom Jobcenter übernommen werden oder die Wohnung nicht als „angemessen“ gilt und der Überschuss vom Regelsatz getragen werden muss.

Dies verschärft die prekäre Situation vieler Betroffenen erheblich. Der Regelsatz ist Spitz auf Knopf gerechnet. Neben Lebensmitteln, Strom, Kleidung, minimaler sozialer und kultureller Teilhabe bleibt da eigentlich nichts übrig. Wenn jetzt die Miete teils aus diesem Budget quer finanziert werden muss, leben diese Menschen unterhalb des Existenzminimums.

Und erleben gleichzeitig Diskriminierung, Abwertung und Ausgrenzung durch politische und mediale Zerrbilder von faulen Schmarotzern. Sehen sich gesellschaftlich lediglich als Kostenfaktor wahrgenommen, der anderen auf der Tasche liegt. Das macht etwas mit Menschen. Beim Bürgergeld geht es nie nur ums Geld. Es geht schlicht und ergreifend um Würde. Um die Sicherung eines würdevollen Lebens, ob man nun einen Platz auf dem Arbeitsmarkt findet oder nicht. Ob das eigene Einkommen für die gesamte Familie reicht oder nicht. Diese Aufgabe, ein Leben in Würde zu sichern, obliegt auch dem Sozialstaat. Das ist unser grundgesetzlichen Sozialstaatsgebotes. So zumindest mein Verständnis als Sozialpolitikerin. 

Das Bürgergeld in seiner konkreten Höhe und insbesondere die Schmähdebatten kratzen an diesem Leben in Würde der Betroffenen. 

Daher kann und darf das Lohnabstandsgebot und das Leistungsprinzip nie unsere einzige Richtschnur sein. Es wird nicht automatisch alles gut, wenn Erwerbstätige mehr Geld in der Tasche haben als Bürgergeldempfänger. Es ist erst dann alles gut, wenn das Geld in der Tasche der Bürgergeldempfängerin ebenso ein Leben in Würde ermöglicht, wie das des Geringverdieners und wenn Sie sich dafür nicht schämen muss. Denn auch Scham greift die Würde eines Menschen an. 

Wer nach unten tritt, Bürgergeldbeziehende unter Generalverdacht stellt, wer arm gegen ärmer ausspielt und mit immer weiteren sozialstaatlichen Verschärfungen und Sanktionierungen droht, der untergräbt die Menschlichkeit unserer Gesellschaft. Für den ist die Würde des Menschen eben doch antastbar.

Und komischerweise richtet sich diese Adressierung der Asozialität immer nur nach unten. CumEx- und CumCum-Geschäfte war da irgendwas? Schämen sich die Banken und involvierten Mitarbeiter*innen, die jahrelang illegale Steuerrückzahlungen eingefordert haben?! Grund hätte sie. Aber ich bezweifle es. Gibt es einen wirklichen politischen und medialen Aufschrei, ob dieser insgesamt schätzungsweise 40 Milliarden, die unserem Gemeinwesen gestohlen wurden und in private Taschen flossen – irgendwie nicht. Stattdessen reduzieren wir in Deutschland die Zahl der Steuerprüfer. Stattdessen fürchtet die CDU Steuererhöhungen für die Vermögendem im Land wie der Teufel das Weihwasser. 

Was läuft da eigentlich falsch, wenn man es politisch für geboten hält, nach unten zu treten und nach oben zu buckeln. Klar der Deutsche Bundeshaushalt gerät in Schieflage, weil 3 bis 4% der Bürgergeldbeziehenden sogenannte Totalverweigerer sind und nicht etwa, weil Steuerhinterziehung und Steuertricks unter dem Radar laufen, weil Schwarzarbeit endemisch ist und weil hohe Einkommen und Vermögen anscheinend unter besonderem Schutz stehen. 

Es wäre schön, wenn sich die CDU hier einmal ehrlich machen würde: es kann gar keine großen Reformen beim Bürgergeld geben, 

weil der Regelsatz bereits über Gebühr knapp bemessen ist 

weil die gegenwärtig möglichen Sanktionen das entsprechende Urteil des Bundesverfassungsgerichts bereits ausreizen. 

Einzig den Vermittlungsvorrang, den können sie wieder einführen und das findet sich so auch im Koalitionsvertrag. Aber diese eine Stellschraube lässt sich wohl nicht als große Sozialreform verkaufen. Also hören Sie bitte auf Erwartungen zum Sozialstaatsrückbau und möglichen Einsparungen zu schüren, die sie gar nicht halten können. Das ist so seriös wie die Einsparversprechen von Musk und Trump im Zuge der Arbeit des Department of Government Efficiency kurz DOGE.

Halten wir also fest: Die Balance zwischen Sozialstaat und Arbeitsmarkt stimmt. Der Leistungsgerechtigkeit wird damit genüge getan, würde ich sagen.

Es braucht in beiden Fällen allerdings zwei Schippen obendrauf. Sowohl der Mindestlohn wie auch die Regelsätze sollten der Realität der Inflation entsprechend angepasst und erhöht werden. 

Erst dann würde auch der Bedarfsgerechtigkeit genüge getan werden. Doch beides ist mit Merz und der CDU nicht zu machen.

Der Aufbruchsgeist der neuen Grundsicherung unter der Ampel Regierung ist längst verflogen. Ich bin wirklich gespannt und mir graust es ehrlich gesagt ein bißchen davor, welche Debatten vom Zaun brechen, wenn die CDU mit ihrer Agenda 2030 ernst macht.

Die ein oder andere Debatten dazu werden wir dann auch sicherlich hier wieder führen.  

 Hoffentlich mit Ehrlichkeit und Sachlichkeit.

Vielen Dank